Heimholung des Feuers

Anni Schlenk war im Januar 1945 mit ihrem Sohn Wolfgang aus Ostpreußen nach Potsdam zu ihrer Schwester Margarete (Gretel) Strobel (1908-1986) geflohen.

Neubabelsberg

Karl-Marx-Straße 14a, Potsdam-Neubabelsberg, erbaut 1891/92

Gretel und ihr Mann Dr. Hans Strobel (1911-1945) wohnten in der Straße der S.A. 14a (vormals Kaiserstraße, heute Karl-Marx-Straße) in Potsdam-Neubabelsberg zur Untermiete bei dem Schriftsteller Dr. Johannes Martin Schupp. Neubabelsberg war damals praktisch das Beverly Hills Deutschlands, insbesondere die Villenkolonie in der Kaiser- und Augustastraße (heute Rosa-Luxemburg-Straße). Bekannte Architekten hatten eindrucksvolle Häuser erbaut (u.a. drei Villen von Mies van der Rohe). Hier wohnte Preußens High Society und berühmte Filmstars wie Marika Rökk, Sybille Schmitz, Lilian Harvey, Willy Fritsch oder Brigitte Horney; die UFA Filmstudios waren in Laufweite.

Marika Rökk – Ich brauche keine Millionen (Musik, Musik, Musik) (1939)
Marika Rökk und ihr späterer Gatte, der Regisseur Georg Jacoby, erwarben ca. 1935 die Villa des jüdischen Regisseurs Alfred Zeislers in der Domstraße 28, 350m von den Strobels entfernt.

Klatsch und Tratsch gab es direkt vor Ort: Dr. Jospeh Goebbels, Propagandaminister und damit auch oberster Zensor der Filmindustrie, stellte in Neubabelsberg regelmäßig gutaussehenden Nachwuchssternchen nach. „Mein Eros ist krank“, schrieb er in sein Tagebuch. „Jedes Weib reizt mich bis aufs Blut. Wie ein hungriger Wolf rase ich umher.“

Goebbels besucht für die Wochenschau ein Berliner Arbeiterviertel. Von einem kleinen Jungen lässt er sich eine Hinterhofwohnung zeigen. Der Junge deutet auf das Bett: „Und hier schläft meene jroße Schwester mit mich.“ Goebbels verbessert: „Mit mir!“ Darauf der Junge: „Mit Sie?! Na ja, sie will ja ooch zum Film…“.

Flüsterwitz aus der Zeit des Dritten Reichs

Sein Unterstaatssekretär Karl Hanke, führte über die Seitensprünge seines Vorgesetzten, der im Volksmund mittlerweile der „Bock von Babelsberg“ genannt wurde, penibel Buch und erstellte eine Liste von 36 Namen. Über die Eifersuchtsszene zwischen Jospeh Goebbels und Ufa-Schauspieler Gustav Fröhlich vor der Villa von Lida Baarova sprach ganz Berlin.
Aber auch später noch wurde in Neubabelsberg Geschichte geschrieben: In der Villa in der Straße der S.A. 25 wurde das Attentat auf Adolf Hitler geplant.

Doch zunächst ein Blick zurück: Hans und Gretel Strobel hatten am 22.12.1934 in Berlin-Charlottenburg geheiratet. Sie wohnten in einem erst in den späten 1920er Jahren bebauten Viertel unweit des Stadions im Westend (Preußenallee 34).

Gretel Strobel war ein fröhlicher und aufgeschlossener, dennoch bescheidener Mensch. Das „Babylon Berlin“ der 1930er Jahre war in den Augen der beiden Mittzwanziger wohl ein Sündenpfuhl, andererseits aber auch eine faszinierende Weltstadt. Spätestens seit der der Machtergreifung und dem Reichstagsbrand 1933 schaute Deutschland mehr als zuvor auf Berlin, und zur Sommerolympiade 1936 tat dies auch die ganze Welt. Die Strobels waren mittendrin.

Berlin 1936 in Farbe

Hans Strobel hatte mittlerweile eine gutdotierte Stelle in der Partei; vor dem Ehepaar lag eine sorgenfreie Zukunft. Keine Frage, sie standen auf der Sonnenseite des nationalsozialistischen Systems. Um Verlierer zu finden, musste man damals nicht weit gehen: Nur wenige 100 Meter entfernt zum Beispiel, am Sachsenplatz 11 (heute Brixplatz) wohnte in den letzten vier Jahren seines Lebens Joachim Ringelnatz mit seiner Frau. 1933 verbrannten die an die Macht gekommenen Nationalsozialisten seine Bücher und erteilten ihm Auftrittsverbot. Ohne das Geld der Bühnenauftritte völlig verarmt, verstarb Ringelnatz im Jahr 1934.

Spätestens 1936 zogen die Strobels dann nach Potsdam ins Grüne um; Gretel Strobel war schon immer sehr naturverbunden gewesen. Vielleicht hatte Hans Strobel einen Tipp von Matthes Ziegler, einem Weggefährten und Freund aus seiner prägenden ‚Adler- und Falken‘ Zeit, bekommen. Ziegler wohnte damals im Karl-Kormann-Weg 11 (heute: Tschaikowskiweg 11), Babelsberg, Fernsprecher (!) 7938.
Statt aus dem Westend mit der U-Bahn Linie A (heute: U2) fuhr Hans Strobel nun mit der Stadtbahn direkt von Babelsberg aus nach Berlin zur Arbeit. Sein Büro lag im Tiergartenviertel, nur wenige hundert Meter vom Potsdamer Bahnhof entfernt.

Der Bahnhof Babelsberg Ufastadt, ein Kleinod der Moderne (1941)
Bahnsteig Babelsberg Ufastadt Bahnsteig (Sommer 1941)

Hans Strobel konnte bequem in Babelsberg-Ufastadt (heute Griebnitzsee) zusteigen. In der Spitzenzeit gingen Züge alle 10 Minuten. Sie nutzten die Gleise der (preußischen) ‚Stammbahn‘, der zweiten Bahnstrecke Deutschlands – nach der Strecke zwischen Nürnberg und Fürth. Die Fahrt bis zum Potsdamer Fernbahnhof dauerte lediglich 26 Minuten (Kursbuchstrecke 599a, Stopps nur in Klein Machnow und Berlin-Zehlendorf). Diese Zeit ist nach dem Krieg nie wieder erreicht worden! Heute benötigt die S-Bahn ca. 15 Minuten länger; seit den 2010er Jahren bemühen sich Bürgerinitiativen um die Reaktivierung der alten Strecke.

Großvater Alfred Schlenk, der in den Jahren 1938 und 1939 an jeweils halbjährigen Seminaren zur Lehrerausbildung in Berlin und Potsdam teilnahm, besuchte in dieser Zeit seine Schwägerin Gretel Strobel und ihren Mann.

Im Folgenden sollen nun Leben und Wirken von Hans Strobel näher beleuchtet werden (Quellen u.a. Bundesarchiv NS8 Kanzlei Rosenberg und Esther Gajek, Volkskundlerin, Ludwig-Maximilians-Universität München).

Studium und politische Aktivitäten

Hans Strobel, Sohn des Gendarmerie-Wachtmeisters Adam Strobel und dessen Ehefrau Christiane, geb. Schimmel, wuchs in Heinersreuth Nr. 82 in ländlichen Verhältnissen auf. Er war ein begabter Schüler, kam auf die Oberrealschule in Bayreuth (heute Graf-Münster-Gymnasium) und schloss diese mit dem besten Abitur seines Jahrgangs ab. Während er in der Schulzeit noch mit dem Thurnauer Bockala über den Röhrensee hinweg bis zur Haltestelle Kreuzstein pendeln konnte, verließ er 1930 schließlich sein Heimatdorf, als er er zum Studium der Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte nach Erlangen ging.

In einem „am 28. im Neblung 1933“ (ja, er verwendete tatsächlich das Althochdeutsche Wort für November!) verfassten Lebenslauf schrieb er: „Indessen hatte ich den Weg zur Jugendbewegung und NSDAP gefunden; 1931/1932 war ich fränkischer Gauwart des Bundes Adler und Falken, und als ich im Herbst 1931 nach München übersiedelte, wurde ich in die Schutzstaffel der NSDAP aufgenommen.“

Der völkische Jugendbund ‚Adler und Falken‘ propagierte die „Erneuerung des deutschen Menschen“ auf Grundlage der deutschen Kultur: „Wir, zu Gottes Lichtvolk bestimmt, das Herzvolk der Menschheit.“ Er beschäftigte sich mit „uralten kultischen Spielen“ sowie germanisch-deutschen Gütern, die „verschüttet und vergessen“ seien. Nach dem Vorbild des Wandervogels wurde das Naturerlebnis auf Grenzlandfahrten nach Böhmen, Mähren, Südtirol gesucht. Der Bund gab sich zunehmend antisemitisch und militaristisch, bevor er sich 1933 schließlich freiwillig (!) der HJ anschloss. Hans Strobel wurde von seiner Zeit bei ‚Adler und Falken‘ stark geprägt; später beschäftigte er sich mit ganz ähnlichen Themen.

Tiergartenstraße 2, Berlin (1935)

Nach nur vier Jahren Studium (in die Zeit fielen auch seine politischen Aktivitäten in München) reichte er in Erlangen seine Dissertation ein. Sein ‚Adler und Falken‘ Freund, Erlanger Studienkollege und späterer Kollege/Vorgesetzte Matthes Ziegler empfahl ihn in Berlin und so wurde er am 1.1.1934 bei Erwin Metzner, dem ‚Reichskommissar für bäuerliches Brauchtum‘ zum Unterabteilungsleiter im Stabsamt des Reichsbauernführers und Reichsernährungsministers Walter Darré (‚Blut-und-Boden Ideologie‘) berufen. Die Dienststelle war in der Tiergartenstraße 2, am Rande des Regierungsviertels in der Wilhelmstraße.

Ausgabe der NS Monatshefte vom Dezember 1936 mit Beiträgen der drei hier näher beleuchteten Personen Strobel, Ziegler, Rosenberg (Archiv University of Illinois)

Ab 1934 veröffentlichte er regelmäßig Beiträge in den NS-Monatsheften, dem Theorieorgan der NSDAP (Matthes Ziegler war dort Redakteur) sowie in SS-Leithefte, Deutsche Volkserziehung, Völkische Kultur, Wille und Macht, Die Spielschar, Odal, Volk und Führung, Volk im Werden, Volkstum und Heimat, Die Neue Gemeinschaft, Deutsche Volkskunde etc. Er befasste sich in erster Linie mit deutschen Bräuchen, die er grundsätzlich auf jahrtausendalte Überlieferung und germanisches Brauchtum zurückführte („arteigen“) und jeglichen christlichen Einfluss („artfremd“) abstritt. Bis zu seinem frühen Tod brachte er es auf fast 100 Schriften, viele davon unter Pseudonym („Hasso Volker“) oder sogar anonym.

Neben seinen Tätigkeiten in der Partei und in den Reichsbehörden hatte Hans Strobel auch einen Lehrauftrag an der Landwirtschaftlich-Tierärztlichen Fakultät der Berliner Universität inne („Deutsche Volkskunde, 1stündig, Zeit nach Vereinbarung“), sofern er nicht „im Feld“ war. Nebenbei arbeitete er an seiner Habilitätsschrift mit dem Titel „Des Lebens hohe Zeiten: Geburt – Hochzeit – Tod“.

Volkskunde bei Reichsbauernführer Darré

Eine von Hans Strobels Aufgaben lag in der ideologischen Schulung des Landvolkes. Die Bauernschulung sollte Menschen hervorbringen, die – im Inneren – die Erneuerung des Volkes aus dem Bauerntum und – im Äußeren – die Besiedlung des Ostraums bewerkstelligen konnten.
Nebenbei arbeitete er an seinem Buch „Bauernbrauch im Jahreslauf“, das er im Jahr 1936 im Verlag Ahnenerbe-Stiftung veröffentlichte. Auch wenn einige Devotionalien-Buchhändler es anders darstellen, war Strobel kein Mitarbeiter der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe (‚Das Ahnenerbe e.V.‘). Dieser Verein diente dem Zweck, die rassische Überlegenheit des „Arischen Herrenmenschen“ wissenschaftlich zu untermauern. Zu zweifelhafter Bekanntheit gelangte der auch als „Amt A“ bezeichnete ‚Think Tank‘ mit seinen hunderten Wissenschaftlern für seine Menschenversuche, den Kunstraub, die Atlantisforschung, die Forschungen zu Runenmagie und übernatürlichen Waffen, oder auch die archäologischen Grabungen und rassekundlichen Expeditionen nach Tibet und Neuschwabenland. Mehr dazu weiter unten.

Bauernbrauch im Jahreslauf – eine Veröffentlichung im Ahnenerbe-Stiftung Verlag (privates Exemplar)

Im Bauerntum sah Strobel – genau wie Darré – den „Lebensquell der Nordischen Rasse“. Eine Erneuerung des deutschen Volkes müsse hier ansetzen, wo sich die ursprünglichsten Formen erhalten hätten.

„[Eine] der vornehmsten Aufgaben einer volkstümlichen, dem Volke dienenden nationalsozialistischen Volkskunde […] ist, unter Ausschaltung des Artfremden, die verschütteten Züge arteigenen Brauchtums wieder freizulegen und so auch in sächlichen Dingen und Einzelheiten artgerechte Grundlagen für die Neugestaltung zu schaffen.“

Hans Strobel, Bauernbrauch im Jahreslauf: Schlusswort (1936)

Die „Neugestaltung der Volkskultur“ durch die Volkskunde wurde in den folgenden Jahren zu einem Ziel Hans Strobels Arbeit.

Arbeitsgemeinschaft für Volkskunde im Amt Rosenberg

1937 gründeten die Reichsleiter Darré, Himmler und von Schirach die parteiamtliche Arbeitsgemeinschaft für Volkskunde, deren Leitung bei Reichsleiter Alfred Rosenberg lag. Es gab vier Unterabteilungen: Wissenschaft, Schrifttum, Schulung und Feiergestaltung. Hans Strobel war zunächst im Bereich Schulung tätig, wechselte aber bald zur Feiergestaltung. Thilo Scheller, ein Kollege Hans Strobels in dieser Abteilung, beschrieb die Aufgabe dort wiefolgt: Von den Feiern des Staates auf den Standesämtern bis hin zu den Familienfeiern sollten alle „das Gesicht unser Weltanschauung“ tragen. Lag bislang der Fokus auf der Interpretation von Bräuchen, so übernahm die Volkskunde nun auch deren Gestaltung (siehe oben: „Neugestaltung der Volkskultur“) und sorgte für die eindeutige Ausrichtung der Bräuche.

Je nach Anlass (Jahresfeier, Weihnachten, politische Kundgebung etc.) und Zeitpunkt schafften Hans Strobel und Thilo Scheller neue Bräuche, wobei es Strobel immer auch um den Nachweis einer jahrtausendalten Überlieferung der verwendeten Elemente ging. Sie veranstalteten große Tagungen zur Feiergestaltung und unterwiesen die eingeladenen Parteigenossen. Wie es Hans Strobel ausdrückte: Volkskunde dürfe nicht Selbstzweck, sondern solle „Mittel zum Zwecke“ sein.

Hans Strobels Beschäftigung mit Bräuchen war immer ideologisch geprägt: Während er am Anfang in ihnen noch Ausdruck bäuerlichen Gemeinschaftsgefühls sah, waren sie für ihn später Beweis für eine ungebrochene Kontinuität seit germanischer Zeit und Zeichen für die Überlagerung des Arteigenen mit Artfremdem. Am Ende diente er vollständig einer Politik, die – aus Gründen der Weltanschauung – eines spezifischen Brauchtums bedurfte, das es erst noch durch die Volkskundler zu schaffen galt.

Heimholung des Feuers

Mit dem Kriegsbeginn 1939 versuchte man gezielt, den Einfluss auf das Weihnachtsfest in der Familie auszubauen. Der bislang von parteilicher Einflussnahme verschont gebliebene Heilige Abend wurde in seinem Potenzial als stark emotional besetztes Fest erkannt, das man nicht länger der Kirche und deren gerade im Krieg gefährlich klingender Botschaft nach ‚Frieden auf Erden‘ überlassen konnte, sondern für eigene Zwecke benutzen wollte.

In ihrem Bestreben, Weihnachten in ein germanisches oder – gleichbedeutend damit – ein nationalsozialistisches Fest umzudeuten, griffen die Feiergestalter auf das aus vielen antiken und frühmittelalterlichen Kulturen bekannte und nun von der bündischen Jugend gepflegte Sonnwendfeuer zurück, das zu Sommer- und Winterbeginn auf den Hügeln entfacht wurde. Als irdischer Repräsentant der Sonne verkörperte das Feuer den Gedanken der Lebenserneuerung, und damit des Leitbildes der nationalsozialistischen Weltanschauung.

Die Verbindung zwischen der Sonnwendfeier und dem häuslichen Fest sollte durch einen sehr geschickt ausgedachten neuen Brauch hergestellt werden, der „Heimholung des Feuers“. Vom Wintersonnwendfeuer wurden mittels Fackeln Lichter an einem zentralen Tannenbaum auf dem Dorf- oder Marktplatz entzündet, von dem die Kinder aller Familien am Heiligen Abend bei Einbruch der Dunkelheit das Licht für ihren Baum zuhause holen durften. Die Heimholung des Feuers wurde wiederum von Feuersprüchen in Kanonform und Liedern umrahmt, die zum Teil im offenen Singen vorher mit der Bevölkerung eingeübt worden waren. An Stelle des in allen Parteiorganen immer wieder empfohlenen „O Tannenbaum, du trägst ein grünen Zweig“ trat in der Praxis aber zumeist das vertrautere „O Tannenbaum, wie grün (treu) sind deine Blätter“.

Die winterlichen Sonnenwendfeuer fanden im Kreise Gleichaltriger statt, waren nur den Formationen der Hitlerjugend und der SS vorbehalten und boten eine Fülle von Erlebnisinhalten (Feuerräder!), gegen die, in den Augen der Jugendlichen, die häusliche Feier im Familienkreis kaum ankommen konnte. Am Ende hinderte wohl der fortschreitende Krieg sowie die damit einhergehenden Verdunklungsverordnungen die Menschen daran, das Sonnwendfeuer mit der Heimholung des Feuers als Ersatz für das kirchliche Weihnachtsfest anzunehmen.

Thilo Scheller fasste den Brauch „Heimholung des Feuers“ noch einmal so zusammen: „Die Mannschaft: SA, SS, Arbeitsdienst, Hitlerjugend usw. (…) sind am 21. Dezember hinausgezogen und haben auf den Höhen das Feuer angezündet, (…) [und] ihre schon brauchtümlich gewordene Fackelübergabe vollzogen, Lieder der Sonnenwende wurden gesungen, zum Schluß wurden vier Fackeln am Sonnenwendfeuer entzündet. (…) Während die Mannschaft draußen am Feuer stand, sammelte sich auf dem Feierplatz im Dorf oder in der Stadt (…) die Bevölkerung. Der BDM, die Jugendgruppe der NS-Frauenschaft oder die Arbeitsmaiden sangen einige unserer neuen Weihnachtslieder (…) Am Mast wurden die Julkränze aufgezogen, oder es wurden die Lichterkugeln am Tannenbaum zum Leuchten gebracht, bis zur festgesetzten Zeit die Mannschaft mit dem Feuer in den Ring marschierte.
Ein gemeinsames Lied (…) eröffnete die Feier, dann wurden mit einem kurzen Spruch von den Fackelträgern die vier Laternen am Lichtbaum oder das Licht in der Klause angezündet (…) Ein Schlußlied beendet die Heimholung des Feuers. Eine Wache zieht auf, die bis zum Weihnachtsabend um Mitternacht das Feuer hütet. Am Weihnachtsabend, mit Einbruch der Dunkelheit, kommen nun die Kinder aus allen Häusern mit ihren selbstgefertigten Laternen (…) und holen sich, unterstützt von den Wächtern des Feuers, das Feuer für ihren Tannenbaum und geben es zu Hause den Eltern ab.“

Strobel führte den Gedanken in Richtung der Kriegsweihnacht fort: „Gerade dieses Bekenntnis spricht eindringlich zu uns, wenn die weihnachtliche Feuerheimholung derart vor sich geht, daß die Kinder aller Familien am Heiligen Abend das Licht für den häuslichen Weihnachtsbaum von einer Flamme abholen, die am Heldenmal der Gemeinde brennt. Dieser Brauch, wie er in einigen Gemeinden zu werden begann, verbindet den alten Grundgedanken der Feuerheimholung, der Erneuerung des Lebenslichtes der einzelnen und ihrer Familien aus dem Feuer der größeren Gemeinschaft, mit dem großen Erlebnis der Kriegsweihnacht: daß die kämpfende Front der Heimat den Weihnachtsfrieden schenkt. Und auf diesem allgemeinen Hintergrunde steht dann noch die im Brauch gestaltgewordene Idee, daß der toten Helden Geist fortwirkt in der Haltung der Lebenden, die sich neue Kraft für den Lebenskampf aus dem Opfer der toten Soldaten heimholen, indem sie das Lebenslicht für den Weihnachtsbaum von der Flamme des Heldenmales empfangen.“ (Hans Strobel, Erbe und Erneuerung, Seite 49, 1943)

Hans Strobel in Uniform, dieses Bild hing im Haus seiner Schwiegereltern (privat)

Hans Strobels Schicksal spiegelte sich auf tragische Weise in den obigen Zeilen: 1939, mit dem Beginn des Krieges, meldete sich der SS-Hauptsturmführer zur Flugzeugabwehr, allerdings war er in den nachfolgenden Jahren auch regelmäßig von der Reichsarbeitsgemeinschaft unabkömmlich gestellt. Sein letzter Einsatz war in der Ardennenoffensive, einer letzten verzweifelten Schlacht im Westen, um den Weltkrieg doch noch zu drehen. Es war ein Himmelfahrtskommando für 240.000 deutsche Soldaten. Hans Strobel fiel in Cherain (Belgien) ausgerechnet am Heiligen Abend des Jahres 1944 im Alter von nur 33 Jahren.

Auch nach der Abreise von Anni Schlenk wartete Gretel Strobel in Potsdam noch auf ihren Mann. Erst im Februar 1945, als sie wochenlang keine Post mehr von ihm erhalten hatte, entschloss sie sich auf Drängen der Familie zur Flucht und kehrte in das Elternhaus in Bayreuth zurück. Wenige Tage nach ihrer Ankunft kam die Todesnachricht – diesen schweren Schicksalsschlag hatte sie nie verwunden. Von nun an half sie im elterlichen Geschäft mit; die Eltern, die inzwischen krank und pflegebedürftig geworden waren, pflegte sie bis zu ihrem Tod.

Doch nun zurück zum (weiteren) Lebensweg Hans Strobels.

Beruflicher Werdegang von Hans Strobel

Wesentliche berufliche Stationen Hans Strobels und Verbindungen zu seinen Weggefährten Matthes Ziegler und Thilo Scheller.

  • Seit 1. Dezember 1930 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 387.719).
  • Seit 1. Januar 1931 Mitglied er SS (Mitgliedsnummer 15.590).
  • Im Sommer 1932: Mitarbeiter der Innenpolitischen Abteilung der Reichsleitung der Partei.
  • Promotion 1933: Die Flurnamen von Heinersreuth. Ein Beitrag zur ostfränkischen Volkskunde. Erlangen, Palm & Enke 1934.
  • Ab Januar 1934 als Unterabteilungsleiter im Stabsamt des Reichsbauernführers Darré. Aufgabenbereich: Ideologische Schulung des Landvolks.
    Sein Freund Matthes Ziegler war dort seit 1933 als Abteilungsleiter für nordisches Brauchtum, wurde aber bereits 1934 von Rosenberg abgeworben (Leitung der neuen Abteilung Archiv für kirchenpolitische Fragen in der Dienststelle Rosenberg).
  • 1937 von dort zur Leitung des Referats „Schulung“ in der neugegründeten „Arbeitsgemeinschaft für Volkskunde“ der DRbg (Dienststelle Rosenberg, „Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP“) abgeordnet. Die Arbeitsgemeinschaft finanzierte Forschungsaufträge, die von Strobel und seinen Mitarbeitern eingereicht wurden. Leiter der Arbeitsgemeinschaft war Alfred Rosenberg, Geschäftsführer Matthes Ziegler.
  • Seit 1939 Leitung der Mittelstelle „Fest- und Feiergestaltung“ bei der Arbeitsgemeinschaft für Volkskunde. Der Mittelstelle gehörten „grundsätzlich alle Gliederungen der Partei“ an.
    Zusammenarbeit mit Thilo Scheller, z.B. Veröffentlichung von Aufsätzen wie „Gedanken zur Feiergestaltung“.
Wechsel Hans Strobels in die Dienststelle Rosenberg (Bundesarchiv NS8/245 Kanzlei Rosenberg)
  • Rosenberg bestätigte im Juni 1939 Dr. Strobel als Leiter der Hauptstelle Volkskunde im Amt Weltanschauliche Information seiner Dienststelle (DRbg / DBFU). Sein Vorgänger war Dr. Ernst Otto Thiele.
    Das Amt Weltanschauliche Information (vormals Archiv für kirchenpolitische Fragen) wurde geleitet von Dr. Matthes Ziegler. Die Volkskunde war von ihm als positive Ergänzung zum nur negativen Kirchenkampf gedacht. Ziegler schied 1941 aus; Rudolf Frank übernahm kommissarisch.
  • Nach dem Wechsel von Darré zu Rosenberg war Hans Strobels Arbeitsgebiet „Volkskunde und Feiergestaltung“ wiefolgt aufgehängt:
    • 1939: Amt Weltanschauliche Information (Leiter: Dr. Matthes Ziegler)
    • 1942: Hauptamt Kunstpflege (Leiter: Dr. Walter Stang)
    • 1943: Hauptamt Wissenschaft (Leiter: Dr. Walter Groß, stellv. Oberbereichsleiter Heinrich Härtle) – Hans Strobel war mittlerweile zum Bereichsleiter befördert worden (20. April 1942)
  • 1941 wechselte Thilo Scheller vom RAD (Reichsarbeitsdiensts) zur Dienststelle Rosenberg.
Korrespondenz von Dr. Strobel in seiner Funktion als Leiter des Sonderstabs Volkskunde im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (Bundesarchiv NS30/160 ERR)
Der Sonderstab Volkskunde sollte Zeugnisse der Volkskulturen (insb. der Volksdeutschen) beschlagnahmen und germanische / normannische Einflüsse auf die einheimischen Volkskulturen nachweisen.

  • Seit 1942 zusätzlich Leiter des Sonderstabs Volkskunde im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR)
  • Institut für Volkskunde in der Hohen Schule (im Aufbau) – Beteiligung seiner Mitarbeiter Dr. Haiding, Dr. Kulke, Dr. Ruprecht.

Amt Rosenberg

Das „Amt Rosenberg“ (ARo) war Anfang 1934 aus dem 1928 gegründeten „Kampfbund für deutsche Kultur“ hervorgegangen und sollte Reichsleiter Alfred Rosenberg die umkämpfte Rolle als nationalsozialistischer Chefideologe verschaffen. Ziel Rosenbergs war eine „kulturpolitische Revolution“ auf wissenschaftlicher Basis, um die NS-Ideologie tiefgreifend und dauerhaft in der angestrebten Volksgemeinschaft zu verankern. Mit seiner Ernennung zum Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP (DBFU, für Der Beauftragte des Fuehrers) wurde das Amt unter der Bezeichnung „Dienststelle Rosenberg“ (DRbg) in der Margaretenstraße 17 in Berlin-Tiergarten eingerichtet.

Amt Rosenberg, in der Margarethenstraße 17, links daneben Hausnummer 18 (1903)

Seit der Nachkriegszeit wird der Begriff Amt Rosenberg generell als Sammelbezeichnung für die verschiedenen von Rosenberg unterhaltenen Organisationen verwendet, wie die Dienststelle des DBFU, das Außenpolitische Amt der NSDAP (APA), die Hohe Schule oder der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR). Auch wenn das Reichsminister Rosenberg unterstellte Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO) keine parteiamtliche Organisation war und somit nicht zum Amt Rosenberg zählt, so war es doch mit diesem ebenfalls auf vielfältige Weise verwoben, da Mitarbeiter von dort immer wieder ins „Ostministerium“ abkommandiert wurden bzw. in Personalunionen tätig waren.

Obige Zeilen lassen schon erahnen: So bedeutend Rosenberg als Theoretiker des Nationalsozialismus war (sein „Mythus des 20. Jahrhunderts“ war die nach „Mein Kampf“ wichtigste Schrift), so klar versagte er als Führungsfigur und Verwaltungsbeamter. Rosenberg sei ein schlechter Organisator gewesen, der „zu einer praktischen Politik nicht die geringste Begabung besitze“, so Goebbels in einem Tagebucheintrag. Die fehlende Schlagkraft seiner Initiativen und die damit einhergehende Frustation seiner Mitarbeiter lag auch in der schwerfälligen, verwirrenden und unübersichtlichen Organisation des Rosenbergschen Apparates begründet.

Der Reichsminister und Reichsleiter der NSDAP versammelte unter seinem Namen zahlreiche staatliche und parteiamtliche Organisationen, Stellen und Ämter, die sich als eine amorphe Ansammlung von Personen und Befugnissen, als ein Pool weitgehend unbestimmter Kompetenzen präsentierten. Entsprechend schwer fiel es bereits den Zeitgenossen, einen Überblick über diesen Behördenwirrwarr zu behalten. Häufig wurden Stellen miteinander verwechselt oder Schreiben falsch adressiert.

Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“ (2006)

Damit stellt sich Rosenbergs Dienstelle als ein Abbild des NS-Staates im Kleinen dar: In der Polykratie des NS-Systems, in dem Parteiinstanzen miteinander und mit staatlichen Einrichtungen rivalisierten, gab es einerseits viele und vielfältige Konflikte, andererseits waren Dienststellen mangels Exekutivgewalten zur Durchsetzung ihrer Interessen und politischen Agenden stark auf Kooperationen angewiesen. Eine besondere Rolle im „organisierten Chaos“ des Dritten Reichs spielten dabei die (führerunmittelbaren) Sonderbeauftragten, Sonderbevollmächtigten, Generalinspektoren, Reichskommissare etc. – Hitler hatte die Angewohnheit, „Titel ohne Macht und Macht ohne Titel“ zu verleihen.

Alfred Rosenberg bei Adolf Hitler

Rosenberg fehlte jedoch die Skrupellosigkeit vieler höherer Funktionäre. Das ist auch einer der Gründe für seine Niederlagen in internen Machtkämpfen, den „NS-Kampfspielen“ (zeitgenössischer Ausdruck). Matthes Ziegler gab in einer Befragung im Jahr 1964 an, dass dieser Mangel an Format chronisch im Hause Rosenberg gewesen sei; es hätten dort einfach die Leute gefehlt, um die Posten zu besetzen, die dem Amt zustanden oder die es zur Festigung seiner Macht eigentlich hätte haben müssen.

Ziegler hatte dies schon damals erkannt und orientierte sich vom machtarmen Parteiintellektuellen Rosenberg um in Richtung der Machtzentren um Himmler und Bormann. Indes rieb sich Hans Strobel in Grabenkämpfen zwischen den verschiedenen Dienststellen auf.

Konflikte zeigten sich im Bereich Feiergestaltung mit Goebbels Propagandaministerium und besonders mit Leys Reichsorganisationsleitung. Die Tatsache, dass Ley in der Anfangszeit für einen Teil der Finanzierung von Rosenbergs Dienststelle aufkam, verschärfte den Streit noch.

Die heftigeren Kämpfe wurden jedoch in der Volkskunde ausgetragen. Sowohl im Ahnenerbe e.V. als auch im Reichserziehungsministerium waren eher „christliche“ rechte Volkskundler beschäftigt, was die „nationalsozialistischen“ Volkskundler um Strobel und Ziegler auf den Plan rief. Die Rufmordkampagne, die die beiden lostraten und über Artikel in Fachzeitschriften austrugen, führte dazu, dass am Ende Heinrich Himmler einschreiten musste, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten.

Die Verteilung der Volkskunde über verschiedene Ämter darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Thema eines nationalsozialistischen Brauchtums trotzdem fast ausschließlich Volkskundler beschäftigte, die dem „Amt Rosenberg“ angehörten oder ihm nahestanden; von den anderen Dienststellen sind kaum vergleichbare Ideen veröffentlicht worden. Strobel spielte dabei eine maßgebliche Rolle.

Nichtsdestotrotz war am Ende wenig von Rosenbergs Progammatik Erfolg beschieden. Ziegler hatte sein Auskommen bei Himmler und Bormann gefunden und Rosenberg selbst war vollauf mit seinen Ostministerium beschäftigt. Die verbliebenen Akademiker waren unzufrieden: Die ideologische Ausrichtung von Rosenbergs Amt machte es unmöglich, als Forscher zu arbeiten, andererseits konnten sie als Politiker ihre Ideen nicht effektiv umsetzen. Prof. Heinrich Harmjanz, seit 1937 im Amt Wissenschaft des Reichswissenschaftsministeriums und ab 1939 Leiter der Abteilung Volksforschung und Volkskunde im Ahnenerbe der SS, sprach in diesem Zusammenhang auch von den „Rosenzwergen“.

Aktenfund BArch NS 15/298

Literatur:

  • Reinhard Bollmus: Das Amt Rosenberg und seine Gegner. Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. Stuttgart 1970.
  • Ekkehard Henschke: Rosenbergs Elite und ihr Nachleben. Akademiker im Dritten Reich vor und nach 1945. Köln 2020.
  • Wolfgang Brückner: Das Jahr 1938 in der deutschsprachigen Volkskunde. Meinungshegemonien des gedruckten Wortes. Münster 2020.
  • Andreas Zellhuber: „Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu …“ Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941-1945. München 2006.

ERR

Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) war die große „Rauborganisation“ des Dritten Reiches und stand damit in Konkurrenz zum Ahnenerbe-SS von Heinrich Himmler, zum „Kunstsammler“ Hermann Göring oder auch zum Sonderkommando Künsberg des Auswärtigen Amtes. Ausgestattet mit der Vollmacht, in den besetzten Gebieten Material für die Bekämpfung der weltanschaulichen Gegner des Nationalsozialismus sicherzustellen, brachte der ERR in den besetzten West- und Ostgebieten unzählige Bücher, Dokumente und sonstige Kulturgüter in seine Hand; darüber hinaus war er am Kunstraub aktiv beteiligt. Der ERR wurde so zum „erfolgreichsten“ Unternehmen der Dienstelle.

Führererlass zur Hohen Schule der NSDAP (1940)

Ausgangsbasis des ERR war das Projekt der „Hohen Schule“, siehe obiger Führerbefehl. Den Grundstock dieser Elite-Parteihochschule sollte das erbeutete Material aus den Staatsbibliotheken, Archiven sowie Kanzleien von Logen und hohen Kirchenbehörden der besetzten Länder bilden.

Modell der geplanten Hohen Schule der NSDAP am Chiemsee (zwischen Schützing und Archlaching);
die Einzelinstitute waren im ganzen Reichsgebiet verteilt

Die Gliederung des ERR, der als Unterabteilung des Amtes III des APA geführt wurde, bestand in der Stabsführung sowie Hauptarbeitsgruppen, Arbeitsgruppen und Sonderkommandos. Zudem existierten Sonderstäbe, die v.a. mit der „Erfassung von Kulturgütern“ beauftragt waren. Hans Strobel leitete den „Sonderstab Volkskunde“ mit den Mitarbeitern K. Haiding, K. v. Spieß, E. O. Thiele, K. Seth, K. Ruprecht und H. Lorenzen.

Da die personellen und organisatorischen Kapazitäten des ERR allein bald nicht mehr ausreichten, lief die Kommunikation der Leitung des ERR mit den Kommandos vor Ort – und zwar nicht nur in den besetzten Ostgebieten – praktischerweise nach und nach über das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete. So wurden das Ostministerium und der ERR von außen zunehmend als eine Einheit angesehen. Die Strukturen waren manchmal so undurchsichtig, dass z.B. ein Prof. Nikuradse die organisatorische Stellung seiner Forschungsstelle nicht besser beschreiben konnte als „beim Reichsleiter Alfred Rosenberg“ entstanden und beim „Reichsminister Alfred Rosenberg“ angesiedelt. „Die Schwierigkeiten, die sich daraus für meine Forschung ergeben, werden mit der Zeit immer größer. […] Nicht einmal ein amtlicher Stempel ist in meinem Besitz, so daß ich nicht in der Lage bin, Anschaffungen einfachster Art an Ort und Stelle zu machen.“

Zwangsläufig bekam Hans Strobel so auch Einblicke in Politik des RMfdbO: Vornehmliches Ziel des Ministeriums war die Germanisierung der besetzten Ostgebiete („Abdrängen“ der Bevölkerung nach Osten) bei gleichzeitiger Vernichtung sämtlicher osteuropäischer Juden. Insbesondere die Krim hatte die Fantasie der Planer angeregt; es lag ein Vorschlag auf dem Tisch, die Südtiroler dahin umzusiedeln.

„Ich glaube, die Schlacht von Tannenberg 1410 wurde im Polenfeldzug getilgt, der Westfälische Friede wurde im Kampf gegen Frankreich ausgelöscht. Was sich jetzt hier im Osten vollzieht, ist, glaube ich, viel größer und tiefer. Das Jahr 375 wird liquidiert. Das Gotenreich erstreckte sich zwischen Baltischem Meer und Schwarzem Meer. Das Gotenreich bestand nahezu 200 Jahre und wir wissen, daß Gotenreste noch im 16. Jahrhundert auf der Krim lebten. […] In dem unglückseligen Jahre 375 kam der Strom der Hunnen und fegte dieses offenbar nicht mehr wachsam gewesene Volk der Goten fort, diesen Volksstamm, der eigentlich dazu ausersehen war, zum Schwarzen Meer zu gehen und diesen Boden fruchtbar zu machen. Theoderich der Große, der eigentlich berufen war, der Herr des Schwarzmeerlandes zu werden, wurde der Herr des damals jungen Abendlandes. […] Und heute hat das Schicksal es uns ermöglicht, auf dieser Seite der Weltgeschichte wieder den Rang einzunehmen, den das Gotenvolk in den ersten Jahren eingenommen hat. […] Damals ging eine Weltgeschichte zugrunde und im Jahr 1941 hat mit der Eroberung des Ostens durch Adolf Hitler eine neue Weltgeschichte begonnen.“

Rede Rosenbergs anlässlich des Presseempfangs zur Einrichtung des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete, 18. November 1941

Rosenbergs Ausführungen korrespondierten zu Hitlers Auffassung in ‚Mein Kampf‘ über die „ewigen Germanenzüge nach dem Süden“, die nun in den Osten umgelenkt werden müssten, um dort die deutsche mittelalterliche Ostsiedlung wieder aufzunehmen. Ohne die damalige Ostsiedlung, so Hitler, „würde unser Volk heute überhaupt keine Rolle mehr spielen. Sie waren der erste, leider auch der einzig gelungene Versuch, die steigende Volkszahl in Einklang zu bringen mit der Größe von Grund und Boden.“ Dabei betonte Reichsführer SS Heinrich Himmler 1942: „Unsere Aufgabe ist es, den Osten nicht im alten Sinne zu germanisieren, d.h. den dort wohnenden Menschen deutsche Sprache und deutsche Gesetze beizubringen, sondern dafür zu sorgen, daß im Osten nur Menschen wirklich deutschen germanischen Blutes wohnen.“ Sonst gewönne man vielleicht ein „Staatsvolk“, verlöre aber ein „Kulturvolk“ (Hitler).

Wie auch an vielen anderen Stellen in der NS-Ideologie kollidierten am Ende des Tages Wunschvorstellung und Realität. Erhard Wetzel, Rassereferent des RMfdbO (und nach dem Krieg im niedersächsischen Innenministerium tätig), beklagte den mangelnden „Siedlungstrieb“ der reichsdeutschen Bevölkerung. Die Ostgebiete würden „wegen ihrer weiten Ebenen für zu eintönig und niederdrückend oder für zu kalt oder zu primitiv gehalten.“

SS Totenkopfring

Hans Strobel trat am 1. Januar 1931 in die Allgemeine SS ein (Mitgliedsnummer 15.590). Zum 1. Juni 1935 stieg er zum Untersturmführer auf. Weitere Beförderungen waren Obersturmführer zum 30. Januar 1936 und Hauptsturmführer zu 9. November 1936. Hauptsturmführer entsprach dem Offiziersrang Hauptmann in der Wehrmacht.

Wie aus den Dienstalterlisten der Schutzstaffel hervorgeht, war Hans Strobel nicht nur Mitglied des Vereins Lebensborn e.V. und trug das S.A. Sportabzeichen (Prüfungen in Leibesübungen, Wehrsport und Geländedienst), sondern er besaß auch den begehrten SS Totenkopfring.

Bild eines SS Totenkopfrings (das Exemplar von Hans Strobel blieb mit ihm im Feld)

Der SS Totenkopfring war das Ehrenzeichen der Schutzstaffel. Er war aus Silber gearbeitet und trug auf seiner Stirnseite einen Totenkopf mit gekreuzten Knochen. Ferner waren einige Runenzeichen angebracht, wie die „Siegrune“, die „Hagalrune“ und das „Heilszeichen“ (eine Doppelrune für Wohlstand, Glück, und Erfolg). Auf der Innenseite war eingraviert: Slb. … (gelesen als: Seinem lieben und es folgte der Name des Trägers); dabei wurde nur der Familienname des Trägers eingraviert. Darauf folgte das Verleihungsdatum und H. Himmler.

Im November 1944 trat Hans Strobel freiwillig der Waffen-SS bei (Kampfverband, nicht Totenkopf). Grund dafür war sein Wunsch, als Soldat Dienst zu leisten, was sich direkt in der Wehrmacht aus organisatorischen Gründen als schwierig erwies (siehe unten).

Von seinem Einsatz an Westfront kehrte er nicht wieder zurück.

Von Moka Efti bis Germania

Das Moka Efti ist nicht nur Dreh- und Angelpunkt der Fernsehserie „Babylon Berlin“ und damit für den Autor ein Schlüsselmoment für die Beschäftigung mit den Themen dieses Beitrags, sondern war in erster Linie ein wirklich existierendes Cafe am Tiergarten, direkt neben Hans Strobels Büro (siehe Familiengeschichte im Spiegel der Moderne). Ob er dort jemals einen Kaffee trank oder sogar Geschäftstermine dorthin verlegte, ist natürlich nicht bekannt, allerdings aufgrund der räumlichen Nähe durchaus möglich. Zumindest die Betreiber des Moka Efti versuchten sich mit den Nationalsozialisten gut zu stellen, indem sie ihnen z.B. am 4. Februar 1934 die Depedance in der Friedrichstraße für eine Abendveranstaltung zur Erinnerung an den ersten Jahrestag der Machtergreifung der NSDAP zu Verfügung stellten: Nach einem Abendessen mit Selleriecremesuppe, Schweinebraten und Birnenkompott gab es „drei Siegs heils für Deutschlands Führer und Retter“.

Es darf stark bezweifelt werden, dass Hans Strobel die „entartete“ Swing-Musik mochte, die abends im Moka Efti gespielt wurde (zumindest bis zum öffentlichen Tanzverbot 1942). Ganz im Gegenteil, er arbeitete sich zeitlebens an der „schrägen Musik“ ab.

Seinen Einlassungen war aber wenig Erfolg beschieden, das Volk stimmte im wahrsten Sinne des Wortes mit den Füßen ab:

Das Moka Efti am Tiergarten lag am Ende der Bellevuestraße, welche vom Potsdamer Platz nordwestlich abzweigt. Zumindest solange er in der Tiergartenstraße arbeitete, führte Hans Strobels täglicher Arbeitsweg durch jene Straße, am modernen Columbushaus vorbei. In letzterem befand sich ab dem Jahr 1936 eine „Fern-Seh-Sprech-Stelle“ (siehe Familiengeschichte im Spiegel der Moderne): Im Zuge der Eröffnung der weltweit ersten Fernseh-Sprech-Verbindung am 1. März 1936 hatte Alfred Rosenberg ein Videotelefonat mit dem Ingenieur und Physiker Oberpostrat Dr. Banneitz, der sich in Leipzig befand, geführt.

Als die Strobels im Jahr 1934 nach Berlin zogen, hatte die Stadt 4,22 Millionen Einwohner, 500.000 mehr als heute. Berlin platzte seit den 1920er Jahren aus allen Nähten; in den Straßen puslierte das Leben:

Szenen aus Berlin am Anfang der 1930er Jahre (koloriert und digital optimiert)

Das alles endete schlagartig, als Mitte 1943 der Bombenkrieg gegen Berlin begann. Bei den Angriffen vom 18. bis 26. November 1943 wurde das Tiergartenviertel stark getroffen. Die Mitarbeiter waren nachts zu Luftschutzwachen eingeteilt. Hans Strobel war jeden Tag in der Margaretenstraße 18 im Einsatz. Man hielt untereinander Kontakt, um im Falle eines Feuers schnell in anderen Dienststellen helfen zu können.

In der Nacht vom 1. auf den 2. Januar 1944 wurden die Dienststellen Margarethenstraße 17 und 18 erneut schwer beschädigt: Auch die letzten Fensterscheiben waren nun geborsten, die Ersatzfenster aus Pappe und Sperrholz waren erneut herausgeschleudert worden. Wegen der abgedeckten Dächer stand in den Zimmern das Wasser. Dennoch wurden die Reste beider Gebäude von Strobels Amt Volkskunde und Feiergestaltung mindestens bis zum Herbst noch genutzt.
Bis zum März 1944 war das Tiergartenviertel fast völlig in Schutt und Asche gelegt. Wenn überhaupt war Galgenhumor an der Tagesordnung, wie folgende Büttenrede aus diesem Jahr zeigt: „Zehn Jahre sind ins Land gegangen/ Seitdem der Alfred angefangen/ Mit seinem straffen Regiment/ Als Weltanschauungsdirigent./ […] Bestreiten kann wohl nur ein Tor:/ Kriegswichtig bleibt stets der Humor./ So oft auch die Sirenen klangen:/ Der ist uns niemals ausgegangen./ Beschränken wir uns drum zum Spaße/ Heut auf die Margaretenstraße./ Wo ein […]“ (BA, R 6/37, Bl. 85)
Die untenstehende Luftaufnahme, die ein Jahr später entstand, zeigt das Ausmaß der Zerstörungen. Zwei der Rosenbergschen Dienststellen sind rot gekennzeichnet. In dem Häuserblock war ausgerechnet die Tiergartenstraße 4 („T4“) unbeschädigt geblieben. Die Zentraldienststelle T4 leitete den systematischen Massenmord an mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941.

Die Zerstörung des alten Tiergartenviertels begann aber bereits vor dem zweiten Weltkrieg: Südlich der Margethenstraße wurden ab 1938 viele intakte Gebäude abgerissen, um Platz für den „Runden Platz“ zu schaffen, der ein wichtiger Teil der von Albert Speer geplanten, 38,5 km langen „Nord-Süd-Achse“ der Welthauptstadt Germania werden sollte. Auch Tiergartenstraße 2 und Margarethenstraße 17/18 hätten der 120 m breiten Nord-Süd-Achse und seiner Bauten weichen müssen. Nach dem Willen von Adolf Hitler und Albert Speer sollte Berlin zum Mittelpunkt eines großgermanischen Weltreichs umgestaltet werden.

„Berlin wird als Welthauptstadt nur mit dem alten Ägypten, Babylon oder Rom vergleichbar sein! Was ist London, was ist Paris dagegen!“

Adolf Hitler in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1942 in der Wolfsschanze

Auf dem Luftbild sind die Spuren der angefangenen Bauarbeiten für Germania gut zu erkennen:

  • Vorbereitende Straßenbauarbeiten an der Nord-Süd-Achse beim Kreuzungspunkt mit der Ost-West-Achse. An den Bordsteinen heute noch zu erkennen.
  • Tunnelarbeiten für die völlig neu geplante U-Bahn Linie G, die unter der Nord-Süd-Achse verlaufen sollte. Auf dem Bild sieht man auch den früheren Standort der Siegessäule auf dem Königsplatz. Tunnelfragmente im Bereich der Ost-West-Achse sind heute noch zugänglich.
  • Spreedurchstich als Vorarbeit für die Große Halle. Sie war mit 315 m × 315 m Grundfläche und 320 m Höhe als das größte Kuppelgebäude der Welt geplant und hätte Platz für 180.000 Menschen geboten. Die Sohle des Spreekanals wurde erst 1994 mit großem Aufwand entfernt.

Mit jedem Fliegerangriff wurde das Tiergartenviertel mehr dem Erdboden gleichgemacht. Hans Strobel konnte sich bei seinem Blick durch die notdürftig abgedichteten Fenster auf die Ruinen des Potsdamer Platzes wohl nicht vorstellen, welche Entwicklung das Regierungsviertel in den nächsten 50 Jahren nehmen sollte!

Ardennenoffensive

Mit Beginn des Krieges meldete sich SS-Hauptsturmführer Hans Strobel zur Flugzeugabwehr. Er tat wiederholt Dienst im Flakregiment 22, das in Berlin-Lankwitz stationiert war (Feldpoststelle L23168). Strobel hatte keinen regulären Wehrdienst absolviert, sondern lediglich an jährlichen Übungen teilgenommen, womit der den Dienstgrad Offizier der Reserve trug.

Noch zu erforschen ist folgende Fundstelle: 1941 kämpfte das Flakregiment 22 unter dem I. Flakkorps / Flakregiment 101 im Mittelabschnitt der Ostfront. Im Juli 1941 wurde eine leichte Batterie zur Sicherung des Brückenschlages im Dnjepr-Brückenkopf Orscha herangezogen. Dabei zeichneten sich Oberleutnant Uhlig, Leutnant Strobel, Leutnant Ohnesorge, Oberfähnrich Karlinski und Wachtmeister Leißter besonders aus. Am 18. Juni 1944 wurde die II. Abteilung als II./Flak-Sturm-Regiment 22 in das Flak-Sturm-Regiment 3 bei Arras eingegliedert. Im Dezember 1944 kämpfte das Regiment in der Eifel.

Während eines nicht weiter bekannten Fronteinsatzes wurde ihm das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen. (Hinweis: Er muss also wirklich vor Ort gekämpft haben, denn im Gegensatz zum 1. Weltkrieg waren Nicht-Kombattanten von der Verleihung ausgeschlossen; für sie und für Kombattanten im rückwärtigen Frontgebiet bzw. an der „Heimatfront“ gab es das Kriegsverdienstkreuz.) Ansonsten wurde Strobel während des Krieges regelmäßig von seiner Dienststelle u.k. (unabkömmlich) gestellt. Grund dafür war seine Expertise bei Schulungen für die Wehrmacht und seine Aufgaben im Ostministerium (ERR). Gegen Ende des Krieges nahm der Druck aus der SS zu, weitere Einsätze an der Front zu leisten, andererseits drängte aber Hans Strobel vermehrt von sich aus darauf:

Schließlich entsprach man seinem Wunsch und er wurde im November 1944 als Mitglied der Waffen-SS an die Westfront geschickt.

Als Hans Strobel in der Eifel eintraf, waren die (streng geheimen) Planungen der Ardennenoffensive in vollem Gange: Am 25. September 1944 hatte Hitler Generaloberst Jodl befohlen, einen umfassenden Plan für die Offensive auszuarbeiten. Ziel war es, mit einem letzten Ansturm den westalliierten Armeen eine große Niederlage zuzufügen und den Hafen von Antwerpen zurückzuerobern. Dabei hatten die deutschen Panzerverbände gerade einmal Benzinvorräte für 60 Kilometer. Hitler setzte deshalb darauf, dass sie unterwegs Treibstofflager der Amerikaner eroberten.

„Bei keiner anderen Operation des Krieges wurde Hitlers irrationales Wunschdenken offenkundiger, nie war die Kluft zwischen Wahn und Wirklichkeit größer. Alle Gegenargumente seiner militärischen Berater, alle Berechnungen der Logistiker fegte er beiseite.“

Karl-Heinz Frieser: Die deutschen Blitzkriege. Operativer Triumph – strategische Tragödie
Der ursprüngliche Plan der Ardennenoffensive und die Situation am 26.12.44, als der deutsche Vorstoß zum Stillstand kam (dicke rote Linie)

Im Morgengrauen des 16. Dezember 1944 griffen auf einer Frontlinie von 100 km zeitgleich drei deutsche Armeen der Heeresgruppe B / OB West an: Die 6. SS-Panzerarmee (Dietrich) rechts, die 5. Panzerarmee (von Manteuffel) in der Mitte und die 7. Armee (Brandenberger) links, siehe obiges Bild. Den über 200.000 deutschen Soldaten gelang die Überraschung. Auch das Wetter spielte mit; es war nebelig und der Himmel war in den ersten Tagen fast durchgängig bedeckt, so dass keine gegnerischen Bomber zu erwarten waren.

Wochenschau zur Ardennenoffensive, aufwändig produziert für Heimatfront, die nach guten Nachrichten hungerte. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung hatte sich das Blatt bereits gewendet. Stolz werden die neuen Waffen präsentiert wie der Flakpanzer Wirbelwind (2:49), siehe auch weiter unten, und der Kampfpanzer Königstiger (ab 5:06).

Allerdings kam die Offensive schon nach ein paar Tagen ins Stocken. Bastogne (mit seinem 11 Millionen Liter Treibstofflager) konnte von der 7. Armee nicht eingenommen, sondern nur eingekesselt werden. Auch die 1. SS-Panzerdivision im Norden schaffte es nicht, wesentliche Mengen an Treibstoff zu erbeuten (hinter Malmedy lagerten 7 Millionen Liter). Da man zum Teil auf schlammige Feldwege ausweichen musste, war der Verbrauch an Benzin zu allem Überfluss auch noch stark angestiegen.

Die amerikanische 7. Panzerdivision und die amerikanische 106. Infanteriedivision hatten sich westlich von St. Vith unter großem Risiko festgesetzt und versuchten deutsche Truppen zu binden, bis sich die Amerikaner neu gruppiert hatten. Dieses Hindernis verlangsamte den deutschen Vorstoß erheblich und trug vielleicht noch mehr als der Treibstoffmangel zum Scheitern der Offensive bei.
Einzig Teile der 5. Panzerarmee erreichten in den ersten Tagen ihr Ziel: Die 2. Panzerdivision konnte fast bis zur Maas vorstoßen.

Ab dem 21./22. Dezember begann sich der Einfluss eines russischen Hochdruckgebiets auf Mitteleuropa auszuweiten. Mit der deutlich kälteren und trockeneren Luft bildete sich eine dünne Schneedecke aus und der Himmel klarte auf. So konnten u.a. amerikanische P-47 Thunderbold Jagdbomber am 22. Dezember 1.200 Einsätze gegen die deutschen Nachschubeinheiten fliegen. Am 24. Dezember waren es bereits 6.000! Falls Hans Strobel wie zu Kriegsbeginn in der Flugzeugabwehr (Flak) diente, hatte er sicher einiges zu tun. Doch in welcher Armee, welcher Division war er eingesetzt? Dies soll im Folgenden diskutiert werden; die hellgrauen Abschnitte mit Details können beim Lesen übersprungen werden.

Die Führungslinie zwischen der 6. SS-Panzerarmee und der 5. Panzerarmee befand sich am Anfang der Invasion etwas oberhalb von St. Vith:
Die 6. SS-Panzerarmee hatte den Auftrag, entlang der nördlichen Angriffsflanke vorzustoßen. Zu Beginn der Offensive griff sie an der Losheimer Lücke und am Elsenborner Rücken an und stieß südlich an Malmedy vorbei. Teile der Armee drehten nach Norden auf Spa ein, konnten den Ort jedoch nicht mehr erreichen.
Die 5. Panzerarmee hingegen kämpfte im Mittelabschnitt der Front. Das Loch für den Vorstoß der Panzer sollten die Infanteriedivisionen nach starker Artillerievorbereitung schlagen. Große Teile der Armee wurden in den Kampf um St. Vith und die Belagerung von Bastogne verwickelt, so dass nur wenige Truppen schnell in Richtung Westen vorankamen.

Aufgrund der lang andauernden Kämpfe bei St. Vith (die Stadt hätte eigentlich schon am zweiten Tag um 18 Uhr eingenommen sein sollen) überlappten sich die Einsatzgebiete der 5. und 6. Panzerarmee nach einigen Tagen. Daher sind verschiedene Szenarien möglich.

  • 9. SS-Panzerdivisionmöglich, Waffen-SS, aber wohl nie weiter südlich als Salmchâteau
    6. SS-Panzerarmee, II. SS-Panzerkorps
    In der Normandie völlig zerschlagen, musste die 9. SS-Panzerdivision „Hohenstaufen“ neu aufgestellt werden. Anfang November wurde sie in den Raum Euskirchen – Münstereifel – Neuenahr verlegt. Bis Mitte Dezember erreichte die Division eine Stärke von 19.605 Mann und war somit über der Sollstärke. Die Mannschaften wurden mit Personal der Luftwaffe und anderen Überbleibseln aufgefüllt und waren ingesamt nur unzureichend ausgebildet. Am 17. Dezember 1944 wurde die Division als Teil der 6. Panzerarmee in den Raum Stadtkyll – Jünkerath – Blankenheim vorgezogen.
    Am 18. Dezember griff die 9. SS-Panzerdivision über Losheim auf Schönberg an. In den dichten Wäldern zwischen Malmedy und St. Vith waren zunächst nur das Artillerieregiment und die Panzeraufklärungsabteilung im Einsatz, ab dem 21.12.44 nach der Einnahme von St. Vith auch der Rest. Die dann nächsten Ziele waren die Dörfer Recht und Vielsalm und die umliegenden Gebiete, aber die zunehmende amerikanische Luft- und Bodenstärke verlangsamte den Angriff. Die Division wurde am 19. Dezember dem I. SS-Panzerkorps unterstellt und sollte über Recht vorstoßend die SS-Kampfgruppe „Peiper“ (1. SS-Panzerdivision) bei La Gleize entlasten. Bis zum Eintreffen der Division im Raum Vilettes war die Kampfgruppe jedoch bereits aufgerieben worden.
  • 2. SS-Panzerdivisionwahrscheinlich, Waffen-SS, aber am 24.12. z.T bereits nördlich von Baraque de Fraiture
    6. SS-Panzerarmee, II. SS-Panzerkorps
    Ende Oktober 1944 folgte die Herauslösung der 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“ aus der HKL (Hauptkampflinie) in der Normandie und die Verlegung in den Raum südlich von Paderborn, um hier aufgefrischt zu werden. Die Division wurde hier für die bevorstehende Ardennenoffensive vorbereitet. Am 13. Dezember 1944 wurde die Division in den Raum westlich von Köln verlegt. Sie hatte jetzt eine Stärke von über 14.000 Mann und eine außerordentlich gute materielle Ausstattung. Am 15. Dezember 1944 bezog die Division ihren Bereitstellungsraum bei Euskirchen und bildete zusammen mit der 9. SS-Panzer-Division „Hohenstaufen“ die Reserve der 6. SS Panzerarmee (d.h. die beiden Divisionen wurden nachgezogen). Über Jünkerath überschritt die Division am 21. Dezember 1944 bei Dasburg die luxemburgische Grenze. Das Zielgebiet im Norden sollte also unter südlicher Umgehung von St. Vith erreicht werden (Grund: Straßenverstopfung im Norden). Die Truppen kamen schnell voran. Ein Angriff auf das Dorf Joubiéval an der Straße zwischen Salmchâteau und Baraque de Fraiture durch die Kampfgruppe Krag am späten 22. Dezember wurde von amerikanischer Artillerie vereitelt. Daraufhin zog die KG Krag in Richtung Salmchâteau weiter. Am 23. Dezember kam es bei Baraque de Fraiture zu ersten schweren Gefechten. Am 24. Dezember hielten sich Teile der Division auf der Straße zwischen Salmchâteau und Baraque de Fraiture auf. Später folgten schwere Kämpfe bei Grandmenil.
  • 62. Volksgrenadierdivisionmöglich, aber keine Waffen-SS
    5. Panzerarmee, LXVI. Armeekorps
    Die 62. Volksgrenadierdivision wurde im September 1944 auf dem Truppenübungsplatz Neuhammer (Schlesien) als Ersatz für die vernichtete 62. Infanteriedivision aufgestellt. Die Masse der Divisionsangehörigen waren Schlesier. In der Zeit vom 25. bis 28. November 1944 wurde die Division in die Südeifel verlegt. Ab dem 16. Dezember 1944 nahm die Division an der Ardennenoffensive teil. Unter schwersten Verlusten beteiligte sie sich an der Eroberung von St. Vith. Anschließend, d.h. bis zum 23. Dezember wurden Grüfflingen und Bovigny genommen und die Flanke Beho-Bovigny gesichert. Bereits am selben Tag erreichten die Spitzen den Südteil von Trois Ponts. Die Division erhielt hier den Auftrag, eine Lücke auf dem linken Flügel bei der ebenfalls angreifenden 1. SS-Panzerdivision zu schließen.
  • 560. Volksgrenadierdivisionunwahrscheinlich, am 24.12 schon weiter, keine Waffen-SS
    5. Panzerarmee, LVIII. Panzerkorps
    Die 560. Volksgrenadier-Division wurde im August 1944 durch die Umbenennung der 560. Grenadier-Division in Norwegen aufgestellt und bis Anfang Dezember 1944 nach Westdeutschland verlegt. Am 1. Dezember 1944 hatte die Division eine Stärke von 8.559 Mann. Am 16. Dezember 1944 wurden Teile der Division im Rahmen der Ardennenoffensive zum Angriff aus dem Raum Dahnen an der luxemburgischen Grenze, eingesetzt. Aufgabe der Division war es, schnellstmöglich die Our-Übergänge bei Kalborn und Ouren zu erzwingen. Anschließend folgte die Division der vor ihr eingesetzten 116. Panzer-Division. Teile der Division nahmen den Ort Hupperdarge. Die Division setzte ihren Weg über Tavigny und durch den Raum Gouvyin nach Houffalize fort. Am 23. Dezember um 5 Uhr morgens griffen 70-90 Mann der Kampfgruppe Schumann die Amerikaner an der Kreuzung von Baraque de Fraiture an, jedoch ohne Erfolg. Die 2. SS-Panzerdivision konnte sie (noch) nicht unterstützen. Bei ihrem weiteren Vormarsch stieß die 560. VG-Division auf heftigen Widerstand östlich von Samrée.
  • 160. Panzerdivisionunwahrscheinlich, zu weit südlich, am 24.12. schon weiter, keine Waffen-SS
    5. Panzerarmee, LVIII. Panzerkorps
    Nach schweren Verlusten in der Normandie wurde die Division im November 1944 zum Wiederaufbau in die Eifel verlegt. Sie wurde u.a. mit Personal aus der Luftwaffe verstärkt. Die 116. Panzerdivision griff zunächst bei Lutzkampen an; am 17. Dezember wurde die Our bei Dasburg überquert. Eine Speerspitze der Division griff am 19. Dezember Bertogne an. Die dortige Ourthe-Brücke war jedoch zerstört worden, weshalb man sich nach Houffalize zurückzog und den Weg nach Westen auf der Nordseite der Ourthe fortsetzte. Am 21. Dezember überquerte die 116. Panzerdivision die Straße Soy-Hotten und griff Hotten an. Dieser Angriff stieß auf heftigen amerikanischen Widerstand und wurde zurückgeschlagen.
Amerikanische Soldaten berichten von ihrem Rückzug über Salmchâteau nach Norden (Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1944). Die Kampfgruppe Krag aus der 2. SS-Panzerdivision hatte sich auf der Straße westlich von Salmchâteau positioniert und griff die fliehende Militärkolonne an. Einige Amerikaner entdeckten einen Schleichweg nach Nordwesten und konnten so im Mondlicht die Deutschen umgehen.

In der Nacht auf den 24. Dezember waren die Amerikaner aus dem ‚Gänseei‘ nach Norden abgezogen. Damit hatte auch die die amerikanische Taskforce Jones, die die Südwestlfanke des ‚Gänseeis‘ schützen sollte, sich aus Cherain, dem Todesort Stobels, zurückgezogen, wo sie wie in anderen Orten einen Spähposten stationiert hatte. Die Taskforce Jones bildete also beim Abzug die Nachhut.
Für die deutschen Nachschublinien war nun der Weg frei. Doch die Air Force intensivierte die Luftangriffe.

Luftangriffe auf deutsche Stellungen (ab dem 22. Dezember 1944)

Wegen des dramatischen Treibstoffmangels auf deutscher Seite blieben immer mehr Panzer liegen. Gesprengte Brücken verursachten große Staus auf den Straßen. Spätestens an diesem Tag sei „jedem Soldaten, der Augen im Kopf hatte“, das Scheitern der Offensive klar gewesen, so Generaloberst Heinz Guderian im Rückblick.

In der Nähe von Houffalize zurückgelassene Flakpanzer IV „Wirbelwind“ (Januar 1945).
Aufgrund der alliierten Luftüberlegenheit waren die Panzerverbände der Wehrmacht gegen Angriffe von gegnerischen Jagdbombern praktisch wehrlos. Der Wirbelwind war 1944 als Abwehrwaffe gegen Tiefflieger entwickelt worden. Er folgte direkt den Panzerverbänden in der Bewegung und im Gefecht. Im Turm befanden sich der Kommandant und neben ihm der Richtschütze, während die zwei Ladeschützen beiderseits der Waffe saßen. Hans Strobel könnte Teil einer Flakpanzer Besatzung gewesen sein.

Es ist fast schon als Ironie des Schicksals zu bezeichnen, dass Hans Strobel an diesem 24. Dezember, also ausgerechnet an dem für ihn so wichtig gewesenen Heiligen Abend, nördlich von Cherain fiel. Die näheren Todesumstände sind nicht bekannt. Da an diesem Tag in Cherain selber wohl keine größeren Kämpfe stattfanden, hätte es ein Luftangriff oder eine Mine sein können, Tod auf dem Weg ins Lazarett, oder es war am Ende nur eine ungenaue Ortsangabe. Sein Grab befindet sich heute auf der Kriegsgräberstätte in Recogne-Bastogne (Block 5 Grab 63).

Der Kriegsfriedhof Recogne-Bastogne, auf dem 6.807 deutsche Soldaten begraben sind

Quellen, u.a.:

  • Hugh M. Cole: The Ardennes. Battle of the Bulge, 1964
  • John Toland: Ardennenschlacht 1944, 1959
  • Antony Beevor: Die Ardennen-Offensive 1944, 2016
  • Otto Weidinger: Division „Das Reich“ (5. Band, 1943-1945), 1982
  • NARA: Militärische Lagekarten, T-0354 (Waffen-SS und Allgemeine SS)
  • Hinweis: Anfrage Bundesarchiv (PA, MA) gestartet ??? 2023

Nachtrag

Hans Strobels umtriebiger Freund und Mentor Matthes Ziegler hatte – anders als er selbst – schon ab 1939 seine Eier in mehr nur in einem Korb liegen, was ihm letztlich das Überleben sicherte. Zusätzlich zur Leitung des Amts Weltanschauliche Information im Amt Rosenberg, gehörte er dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) an und war in Kirchenfragen der Verbindungsmann zu allen SS- und Polizeistellen. Außerdem war er (jüngster) Reichsamtsleiter in der Reichsleitung der NSDAP. Somit diente er drei Herren gleichzeitig: Rosenberg, Himmler (Heydrich), Bormann.

Nach dem Kriegsausbruch 1939 leistete Matthes Ziegler seinen Dienst in einer Propagandakompanie der SS ab. Zusammen mit einem Kollegen aus den Tagen bei den NS-Monatsheften baute er danach eine Kriegsberichtereinheit der Waffen-SS auf („SS-Standarte Kurt Eggers“). Damit vermied der einen Fronteinsatz.

Als kurz nach Ostern 1945 das Führerhauptquartier von Berlin nach Berchtesgaden in die „Alpenfestung“ verlegt werden sollte, stellte die Standarte Eggers einen Sonderzug zusammen, welchen Matthes Ziegler nach Bayern führen sollte.

„[…] mit einem 100 KW-Sender in der Stärke des Deutschlandsenders und mit Fernschreibanlagen zur laufenden Aufnahme der Sendungen der feindlichen Nachrichtenbüros ausgestattet. Eine Flugabwehrkanone und ein ausschwenkbarer VW-Kübelwagen fehlten ebenso wenig wie ein Materialwagen, ein Küchen- und Verpflegungswagen, Büroeinrichtungen und natürlich Unterkünfte.“

Matthes Ziegler, Von Rosenberg zu Niemöller, unveröffentlichtes Manuskript, 1967/1987

(Mit 100 KW ist es selbst bei den ungünstigen Sichtverhältnissen innerhalb der Alpen möglich, während der Nachtstunden (Ionosphärenausbreitung) auf Mittelwelle eine Reichweite von über 1000 km zu erreichen. Voraussetzung ist allerdings eine gute Antenne.)

Aufgrund starker Bombenangriffe auf Berchtesgaden fuhr der Zug weiter in Richtung Klagenfurt; Ziegler ließ sich mit dem Auto hinterher chauffieren:

„Unterwegs überholte ich laufend Luftwaffeneinheiten mit leichten und schweren Flak-Batterien und war froh, daß ich mit den besten Ausweisen ausgerüstet war, die man damals überhaupt besitzen konnte und die überall Durchkommen, Vorfahrt und Sprit garantierten.“

Matthes Ziegler, Von Rosenberg zu Niemöller, unveröffentlichtes Manuskript, 1967/1987

Im Umkreis von Mauterndorf, dem Aufenthaltsort des mittlerweile abgesetzten Herman Göring, ereilte alle die Nachricht vom Tod Hitlers, die Matthes Ziegler mit seinen Geräten an die Einheiten zu verbreiten hatte. Im Frühjahr 1945 war nämlich vom dichten Netz des Großdeutschen Rundfunks nicht mehr viel übrig. Insbesondere im Osten und Süden Deutschlands waren fast alle Großsender zerstört, gesprengt oder außer Betrieb. Einzig in Südwestdeutschland und in der Region Hamburg-Flensburg strahlten noch Sender das in Berlin zentral produzierte Reichsprogramm aus. Von dort wurde am 1. Mai 1945 ca. 22:30 – 22:45 Uhr die Todesnachricht verbreitet und u.a. vom englischen Abhördienst empfangen.

„Und dann kam mein letzter Funkspruch. Havas in Paris und Reuter in London meldeten das Ende in der Reichskanzlei und den Tod Adolf Hitlers. Und von unseren zurückweichenden oder eingeschlossenen Truppen, vom Ruhrkessel bis zum Kurlandkessel, kamen die Anfragen, die immer drängender eine Bestätigung oder ein Dementi verlangten. Die Reichskanzlei antwortete nicht mehr. Die Gruppe Jodl in Neustrelitz konnte weder bestätigen noch dementieren. […] General Winter gab mir, nach Rücksprache in Neustrelitz, die Freiheit, zu tun, was ich für richtig hielt. Einen Befehl konnte ich nicht bekommen, noch weniger einen Text. Und ich formulierte ihn so wie ich mir als deutscher Soldat das Ende des Mannes vorzustellen hatte, auf den ich in meinem Leben, aus immer neuen Anlässen, fünfmal vereidigt worden war. Der Text meines Funkspruches lautete: ‚An alle. Funk genehmigt Generaloberst Jodl, genehmigt General Winter, Mai erster elf Uhr fünfundvierzig, OKW West: Führer hat aus Reichskanzlei letzten Ausfall unternommen und ist mit der Waffe in der Hand im Kampf gegen den bolschewistischen Weltfeind gefallen. An alle Es lebe Deutschland!'“

Matthes Ziegler, Von Rosenberg zu Niemöller, unveröffentlichtes Manuskript, 1967/1987

(Ein Foto von Ziegler aus dem Jahr 1959 wurde in DIE ZEIT Nr. 08 vom 15.02.2007, S. 92 abgedruckt.)

Stephan Zacharias – Im Hof der Reichskanzlei (Der Untergang, 2004)

Mit dieser Nachricht und dem nun folgenden Zusammenbruch Deutschlands stand auch die junge, akademische Elite des Amtes Rosenberg vor dem Nichts. Rund 70% der jungen Promovierten hatten den Krieg überlebt und wenn auch Hans Strobel nicht mit dazugehörte, so kann man sich durchaus fragen, wie sein Leben nach dem Krieg verlaufen wäre…

Eine nicht kleine Zahl ehemaliger Mitarbeiter wählte – ihrer Weltanschauung beraubt – im Frühjahr 1945 den Freitod. Auch sonst reflektierten öffentlich nur wenige ihre damaligen Aktivitäten. Das Eingeständnis von Scham und Irrtum war selten. Im Gegenteil, im Laufe der Zeit fanden sich viele der Gesinnungsgenossen wieder in rechtsextremen Zirkeln zusammen (Deutsche Akademie für Bildung und Kultur, Deutsches Kulturwerk Europäischen Geistes): Werner Koeppen (persönlicher Referent von Alfred Rosenberg), Heinrich Härtle (Leiter des Sonderstabs Wissenschaft im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg), Robert Scholz (Leiter des Sonderstabes Bildende Kunst im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg) etc. Alles in allem wurden aber die meisten von Rosenbergs Elite in der Bundesrepublik zu Vernunftdemokraten. Allerdings konnten nur wenige an ihre erfolgreichen Karrieren anknüpfen. Finanziell war die Lage auch nicht einfach, da sie keine 131er waren, schließlich hatten sie nicht als Beamte in einem Reichsministerium gearbeitet. Auch wenn keiner sozial abstieg, führten führten die meisten eher unauffälligere Existenzen und zogen sich häufig ins Private zurück. Haiding beispielsweise wurde Leiter eines Heimatmuseums. Er schrieb 1974 an eine Freundin: „Wegen der vielen Hemmnisse befriedigt das Erreichte nur den Verhältnissen entsprechend, jedoch nicht als Lebensleistung. Aber wem aus unserer ‚verheizten Generation‘ ergeht es besser?“ Der erheblich belastete 34-jährige ehemalige Kirchenkämpfer Ziegler erfand sich komplett neu und fand ausgerechnet mit Hilfe des protestantischen Widerständlers Martin Niemöller auf einer Pfarrerstelle ein warmes Plätzchen (siehe die lesenswerten Veröffentlichungen des Ziegler-Experten Manfred Gailus, z.B.: Vom „gottgläubigen“ Kirchenkämpfer Rosenbergs zum „christgläubigen“ Pfarrer Niemöllers. Matthes Zieglers wunderbare Wandlungen im 20. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 54 (2006), S. 937–973). Ob Hans Strobel die Chuzpe und Wendehalsigkeit eines Ziegler besessen hätte, darf bezweifelt werden. Als intelligenter junger Mann hätte er in der Bundesrepublik aber sicher seine Nische gefunden.