Leben und Sterben im Dreißigjährigen Krieg

Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen;
mein sind die Jahre nicht,
die etwa mögen kommen

Andreas Gryphius (1616-1664)

Mit dem Eintritt des schwedischen Königs Gustav II. Adolf in den Konflikt („Schwedischer Krieg“, 1631-1635) begannen auch im nördlichen Oberfranken, der Heimat der Schlenk-Vorfahren, schwerste Zeiten. Waren bislang Durchmärsche und Einlagerungen von Truppen das Problem gewesen (vereinzelte Plünderungen, Einschleppung der Pest im Jahr 1625), so verlagerte sich nun das Kriegsgeschehen direkt nach Franken. Ungünstig für das (protestantische) Markgrafentum Brandenburg-Ansbach-Kulmbach war, dass es durch das (katholische) Hochstift Bamberg sowie durch Nürnberger Gebiete geteilt war. Zudem wurden die wichtigen Heeres- und Handelsstraßen, die seit dem frühen Mittelalter durch den Fichtelgebirgsraum verliefen, den Bewohnern zum Verhängnis.

Nach schweren Gefechten bei Nürnberg zogen die riesigen Heere von Wallenstein und Gustav Adolf im Sommer 1632 in Richtung Leipzig. Raubzüge und Brandschatzungen waren im gesamten Gebiet zwischen Bayreuth und Hof an der Tagesordnung. Am 16. November 1632 kam des dann zur entscheidenden Schlacht bei Lützen in der Nähe von Leipzig (siehe auch die Geschichte von Jeremias Hopffer auf der Seite Wappenverleihung). Die schwedische Armee entschied die Schlacht gegen Wallensteins Heer zwar für sich, Gustav Adolf allerdings starb auf dem Schlachtfeld. Wallenstein zog nach Böhmen, die schwedischen Truppen über Bamberg Richtung Süden. Bayern kontrollierte das Gebiet der Oberpfalz. Somit wurde das gesamte dazwischen liegende markgräfliche „Oberland“ zum ständig umstrittenen Kampfgebiet.

Insbesondere die für ihre Brutalität bekannten kroatischen Reiter unter Oberst Corpus (auch: Korbitz) verursachten viel Leid. „Am 1. Dezember [1632] in der Nacht sind 200 Croaten eingefallen, und der ganze Marckt [Gefrees] totaliter ausgeplündert und dermassen ruinieret, dass ein jeglich noch lebender burger, bei seinen lebsZeiten nicht uberwinden kann. Auch mit den leuten also ubel gehauset, das es nit genugsam zu beschreiben.“ (Pfarrer Ellrodt) In den darauffolgenden Jahren sind die Chroniken der Gegend voll über die Greueltaten der kaiserlichen, teilweise aber auch der schwedischen Truppen („… daß man nicht mehr wußte, ob der Feind oder die Freunde das größere Übel seien.“). Zudem zogen auch viele Wohnsitzlose, Flüchtlinge, Marodeure und Gesindel in Gruppen von bis zu 200 Menschen in der Gegend umher.

Hans Ulrich Franck, Marodeure überfallen ein Dorf und bedrohen Frauen, Radierung von 1643
[Marodeure = durch Verletzungen „unbrauchbare“ Soldaten oder Fahnenflüchtige, die sich in Gruppen zusammenschlossen und auf eigene Rechnung umherzogen und plünderten] (siehe u.a. folgende Quelle)

Der damalige Bürgermeister von Marktredwitz, das ca. 30 km Fußweg von Gefrees entfernt liegt, schrieb über diese schlimmen Jahre:

Zu dieser Zeit gieng Jammer und Noth an in Unsrem Lande, vnd hat gewehret biß vff das 1637. Jahr, do man den baldt nichts änderst hörte, alß Rauben, stelen, Morden, brennen vnd sengen, die armen Leuth wurden niedergehauen, gestochen, geschoßen, auch geraitelt, vielen die Augen außgestochen, Arm vnd Beine entzwey geschlagen, Ohren vnd Nasen, auch Männliche Glieder vnd Säugende Brüst wurden ab- vnd außgeschnitten, ettliche von Ferne beim Feuer gebratten, theils im Rauchschloth vffgehenket vnd Fever vnter sie geschieret, ettliche in die Backöffen gestoßen, stroh fürgemacht vnd angezündet, Khün vnd schweffel vnter die Nägel gestecket vnd angezündet, die Daumen geschraubet, spitzige Knöbel ins Maul gestecket, daß das Bluth hauffenweiß herauß geloffen, hernacher den gantzen leib, durch den Mundt, mit Urin vnd Mistwaßer gefüllet, die Fueßsohlen aufgeschnitten, hernach Salz hineingestreuet, Riemen auß den leibern geschnitten, vnd vielen die Rippen in den leib entzwey geschlagen, Jn Summa die grosse pein vnd vorhin unerhörte Martter (davon auch der teuffel in der höll mit Wissenschaft haben mochte) so sie den Menschen angethan, biss sie gestorben vnd verschmachtet oder preßhaft worden, ist nicht zu schreiben, do hat manches Frommes hertz in solcher Marter vnd pein bekennen, hab vnd guth, Weib vnd Kind, auch wol seines herrn oder nechsten sachen, die lange Zeit verwahret gewesen, verrathen müßen, Da wurde weder alt noch jung, Edel vnd Unedel, Auch der schwangern vnd Sechswöchnerin mit schenden nit verschonet, vnd welches ja ein greul anzuhören, 8. Jährige Mägdlein, so wol auch 60. biß in 80. Jährige Weibspersohnen zu todt gemartert, hernach außgezogen in die Teich geworfen, oder auff der straßen liegen laßen, Zulezt dorfft sich auch kein Mensch mehr in Wäldern Betretten laßen, den da war auch niemandt mehr sicher, es war gleich im morast, oder in gebürgigen steinklüfften, den da hatten sie hundt, welche vff die Menschen abgerichtet, daß also Kein Mensch in Steinklüfften bleiben Kundte. Ach da sind viel Leuth in den Wäldern erschoßen und niedergehauen worden, auch vnbegraben liegen blieben.

Redwitzische Haus-Chronika über Verlauf und Beschreibung, was von 1627 an zu Redwitz, Eger und den benachbarten Orten und Landen sich bis auff das Jahr 1675 begeben, und zusammen getragen von Weyland Herrn Georg Leopold, gewesenen Richter und Bürgermeister des Marktes Redwitz

Urururururururururgroßvater Simon Schlenck war um 1620 herum von Wunsiedel nach Gefrees gezogen und hatte sich als Wirt des Gasthofs zum Löwen niedergelassen (siehe auch Kanne der Gefreeser Metzger). Er überlebte die Pestepedemie („Ao. 1625, Die Seuge der Pest bei Uns eingegriffen das Wir ohn Unser Nahrung ein ganzes halbes Jahr gesperrt gewesen, nicht ein noch auswandern können und dürfen.“) und kroatische Plünderungen, verstarb dann jedoch inmitten des Krieges, am 8. Januar 1634. Die Todesursache ist nicht bekannt; Hinweise auf einen größeren Überfall auf die Stadt zu dieser Zeit gibt es auch nicht. Generell war es so, dass die meisten zivilen Opfer nicht durch die Hand von Soldaten oder marodierenden Landsknechten starben, sondern an Hunger und Krankheiten wie Typhus (der „Ungarischen Kopfkrankheit“), Grippe oder Ruhr – und auch der Beulenpest.

Der Pestillenzgarten in Kornbach vor den Toren von Gefrees (Quelle: Bayerischer Rundfunk)

In der Gottesackerkirche von Gefrees befindet sich ein gut erhaltenes Epitaph von Simon Schlenck – der erste Hinweis auf die dort ansässige Familie Schlenck. Diese aus Wunsiedeler Marmor aufwändig gestaltete Grabplatte zeugt von einer wohlhabenden Familie. Das Bildnis zeigt Simon Schlenck nach der damaligen spanischen Mode gekleidet: Wams, Stulphandschuhe, Oberlippen- und Kinnbart. Die Inschrift lautet:

Hierunder ruht in Gott sehlig Simon Schlenck Burger und Gastgeber Allhie
ward Ao 1594 den 2. Marty gebohrn verschied sehlig allhier den 8. January 1634

Ich liege ganz mit friden,
den du Herr allein hilfst mir daß ich sicher wohne Psal 4
Ich weiß daß mein Erlöser lebt uund er wird mich
hernach auß der Erden auferwekken. Jo 19
Herr wenn ich nur dich hab so frag ich nichts nach Himmel und Erden

Im Sockel, der leider nicht mehr vollständig erhalten ist, steht folgender Text:

Der Ehren und wehrte, Mannhafft,
Daniel Schlenck
Rath… u. Oberfeld…?
ist geboren 3. Febr. 1621
verstarb sel. Den 20. May 1669

Daniel Schlenck war Simons Sohn und Erbnachfolger Zum Goldenen Löwen. Als sein Vater starb, war er erst 13 Jahre alt, dennoch lastete schon bald eine große Verantwortung auf seinen Schultern. Es galt nicht nur, in den Kriegswirren zu überleben, sondern auch – wenn irgend möglich – Haus und Vermögen zu sichern. Obwohl die Hochphase des Krieges in der Region ab Mitte 1634 wieder vorbei war, gingen die Plünderungen und Brandschatzungen, das Morden und Sterben, bis ins Jahr 1644 weiter. So schrieb der Gefreeser Pfarrer Ellrodt über den Juli 1643: „… sind am 7. Juli d. J. bei 2000 Mann unter Anführung des Oberst Koppeuns unversehens dahier angekommen, haben gefüttert und sind dann in alle Häuser eingebrochen, haben dieselben ausgeplündert und selbst des Kastners Haus nicht verschont.“ Der Fluchtweg der Gefreeser, die sich immer wieder im abseits gelegenen Bischofsgrün versteckten, verlief direkt links neben dem Gasthof durch die Rödergasse über die heutige sog. „Kellergasse“. Selbst 1646 musste die Bevölkerung noch „die besten Sachen flüchten, weil sonst die croatn nichts übriglassen“.

Die Inschrift legt nahe, dass Daniel Schlenck die Bürgerwehr befehligte, wie sie in den unruhigen Zeiten in den Städten bestanden hatten. Auch wenn sie gegen größere soldatische Truppen nichts ausrichten konnten, waren sie zumindest in der Lage, vor herannahender Gefahr zu warnen sowie kleinere Überfälle zu verhindern. Es ist überliefert, dass die Stadttore von Gefrees mit Riegeln verschlossen werden konnten.

Die umliegenden Dörfer waren hingegen fast jedem Angriff schutzlos ausgeliefert. Die Vorfahren aus Hermersreuth wohnten nah an der Via Imperii, der uralten Heer- und Handelsstraße von Nürnberg nach Hof. Es mag von Vorteil gewesen sein, dass bei Stein in steilem Gelände erst die Ölschnitz überquert werden musste, um von der Via Imperii nach Hermersreuth zu gelangen.

Zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs wohnten Michael und Catharina Pehem, Hausname Strübing, samt ihrer zehn (!) Söhne und sieben (!) Töchter auf Hermersreuth. Dies ist auf dem Pehem-Humpen dokumentiert und auch auf jener Seite genau beschrieben. Die Kirchenbücher weisen ab 1610 große Lücken auf; das Sterberegister bis 1635, das Geburtsregister bis 1638 und das Trauungsregister bis 1634. Jenseits dieser Lücken nennt keines der Register mehr Angehörige der Familie Pehem-Strübing. Der Pehem-Humpen legt nahe, dass die gesamte Familie 1647 bereits ausgestorben war. Ein sehr trauriges, aber im Dreißigjährigen Krieg nicht unübliches Familienschicksal!

Im Oktober 1648 endeten die Kampfhandlungen in Deutschland mit dem „Westfälischen Frieden“. Im Laufe des Krieges war die ganze Gegend vollständig verarmt und zum Teil entvölkert. Man kann von 30% (Stadt) bis 40% (Land) Bevölkerungsrückgang ausgehen. In Gefrees waren von den 96 Häusern (1580) 36 zerstört und verlassen. Deren ehemaligen Bewohner waren tot oder geflüchtet. Die restlichen Gebäude waren sicher auch stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Zwischen den abgebrannten, leerstehenden, verkehrslosen Städten, auf deren Marktplätzen das Gras wuchs, dehnten sich weite, menschenleere Einöden, nur hin und wieder unterbrochen von Bauerndörfern mit schlecht geflickten Strohdächern und entsetzlichem Schmutz. Auf den miserablen Straßen zogen Scharen von Bettlern landauf und landab, Krüppel, Heimatlose, Greise, Kranke. Nachts heulten die Wölfe, am Tage lauerten die Räuber. Denn die abdankenden Soldatenbanden, die Freibeuter und Schnapphähne wollten ihr sorgloses Dasein nicht sogleich aufgeben und setzten die Leute noch in Furcht und Angst, als schon längst die Winde die Töne der Friedensglocken über die verheerten Fluren getragen hatten.

August Hupfer, Der Dreißigjährige Krieg im nördlichen Fürstentum Bayreuth (1920)

Langsam wurden wieder die Felder bestellt. Das Saatgut allerdings musste anfangs noch in Sachsen beschafft werden. Bis 1673 war die Hälfte der öden Häuser in Gefrees wieder notdürftig aufgebaut. 1692 zählte man wieder ca. 90 Häuser.

Quellen u.a.: Historisches Forum Gefrees,
Der 30jährige Krieg in Gefrees uns seiner Umgebung