Der Turmhügel von Hermersreuth

Hermersreuth, mindestens bis 1692 auch Hermansreuth genannt, ca. 1km westlich der Burg Stein zwischen Gefrees und Bad Berneck gelegen, war jahrhundertelang der Sitz der Schlenk-Vorfahren. Auf dieser Seite soll die Geschichte des Dorfes und seiner Wehranlage bis zur Einheirat von Urururururururgroßvater Samuel Schlenk erzählt werden.

Es geht nun zurück bis in die Zeit der Walpoten, die im 11. und 12. Jahrhundert die wichtigste Macht am Obermain bildeten. Überliefert ist, dass zwischen 1028 und 1040 der Walpote Reginold I. Teile der „tria loca Trebegast, Stein et Kulma“ der Bamberger Kirche vermachte. Anfang des 12. Jahrhundert nannte sich dann ein Poppo (Robert, vgl. engl. Bob) aus einem edelfreien Geschlecht, das vermutlich zum Sippenverband der Walpoten gehörte, nach Stein (1100) – Poppo albus de Steine – und (Markt)Schorgast (1128) – de Scoregast. Die Zeit der Einnamigkeit im niedrigen Adel ging vorbei – man begann sich, nach seinen Ansitzen bzw. Burgen zu nennen.

Hermann von Steine aus dem Geschlecht der Edelfreien von Schorgast-Stein bezeugte am 15. Februar 1163, dass er das Dorf und den Turmhügel Hermersreuth bzw. Hermansreuth von seinen Mannen habe anlegen lassen (Quelle: Karl Dietel, Turmhügel im Herzen der Münchberger Senke). Dieser Rodungsführer Hermann mag dem Platz den Namen gegeben haben. Die Endsilbe „-reuth“ (Rodungssiedlung) könnte sogar auf eine frühe Gründung im 11. Jahrhundert hinweisen. Die Ersterwähnung stammt jedenfalls aus dem Jahr 1360: Die Brüder Hans und Arnold von Hirschberg vekauften damals ihre Anteile am Zehnten zu „Hermannrewt“, an die sie über die Grafen von Orlamünde gekommen waren, an Albrecht, Burggraf von Nürnberg.

Rekonstruierte Turmhügelburg aus dem frühen 11. Jhdt. im Geschichtspark von Bärnau-Tachow bei Tirschenreuth (Foto: Frankenpost)

Wie bei den vielen anderen dieser allerersten Wehranlagen der Gegend, war einer der Zwecke der Turmhügelburg / Motte Hermannsreuth die Überwachung und Sicherung der nahegelegenen uralten Heer- und Handelsstraßen von Süden und Osten in Richtung Eger Leipzig. Es gab unterschiedliche Trassen; in einigen Schriften wird ein Weg von Wirsberg über Marktschorgast, Wasserknoden, bei Stein das Ölschnitztal querend, durch Hermersreuth, nach Wülfersreuth auf den „Hohen Weg nach Eger“ (1417 genannt) beschrieben. Auch der Einsatz der Motte als Zollstation ist in diesem Zusammenhang denkbar.
Hauptsächlich war der der Turm allerdings wohl damals ein besitzanzeigendes Statussymbol. Die Ortsadeligen wollten sich so von der ansässigen Bevölkerung abheben und „standesgemäß“ wohnen. Bis ins Spätmittelalter war der leicht befestigte Sitz, ein meistens aus Holz errichteter Dorfturm innerhalb oder in direkter Nähe einer Siedlung, für den normalen Adel die Regel. Nur wenige waren „steinreich“ und schafften den Sprung auf die Höhe (sog. Vertikalverschiebung) – und konnten in Steinburgen ihre gesellschaftliche Stellung gegenüber dem „niederen“ Adel zeigen.

Albrecht Dürer, Weiherhäuschen, um 1496, Standort: British Museum, London (Quelle: Wikipedia)

In Hermersreuth ist dieser Sitz noch heute sehr schön zu erkennen. In der Dorfmitte umgibt ein ringförmiger Wassergraben eine Insel von ca. 20 Metern Durchmesser. Vom Turmhaus auf dem Kernhügel hat sich oberirdisch nichts erhalten; man sieht aber, dass die Anlage nur leicht befestigt sein musste. Von den im Halbkreis um den Turmhügel angeordneten Höfen wird der Vorgängerbau zum Haus Nr. 3 (siehe Foto/Karte unten) als der zur Wallanlage gehörige Herrenhof bezeichnet. Schließlich erhielt der Adel seine Einkünfte aus wie auch immer gearteten Rechten an Land oder Hof. Die drei Höfe bildeten auch das ursprüngliche Gut Hermersreuth der Schlenks; erst 1767/1770 fand eine Teilung in Nr. 3/5 und Nr. 4 statt.

Hermersreuth, ehemaliger Turmhügel, Haus Nr. 3 links, Nr. 5 mitte, Nr. 4 rechts (Foto: Historisches Forum Gefrees, 2017)

Doch nun weiter mit Geschichte: „Hermann Santner ze Hermansret gesezzenm in dem Ampt ze Bernek gelegen“, bekam im Jahr 1370 vom Nürnberger Burggraf Friedrich das „Haus zu Hermanreut“ als Lehen. Ab 1413 wurden dann die Herren von Sparneck mit der „Behausung zu Hermanßrewt“ belehnt. In die Zeit der Hussiteneinfälle um 1430 fällt wahrscheinlich das Ende der Hermersreuther Wehranlage. In einem bambergischen Lehenbrief von 1464 ist für Hermersreuth dann von zwei Höfen und zwei Sölden die Rede (StABa Bamberger Standbücher Nr 6 102b). Letztmalig findet sich ein Hinweis auf den (ehemaligen) Ansitz im Landbuch der Ämter Berneck, Gefrees und Goldkronach von 1536: „Item die herschafft hat diz orts eine halbpaw [Halbbau, d.h. die Hälfte des Ertrags war abzuführen], der ist dismals in 4 manschafft gethaildt und niemant darauff khein kauffrecht.“ Dass diese vier Güter noch im 16. Jahrhundert auf Zeit verpachtet wurden (Freistift) war sicherlich unüblich und kann mit dem ehemaligen Adelssitz erklärt werden. Dennoch setzte auch hier bereits kurze Zeit später die Wende zur Erbzinsleihe (freie Vererbung und mögliche Aufteilung unter den Erben, sog. Realteilung; Abgaben und Dienste für den Grundherren) ein: Weiter unten im Landbuch wurde bei den vier Lehensnehmern korrigiert: „… und hat kein jeza kauffrecht.“ Der Hermersreuther Halbbau hatte dem Landbuch zufolge eine Nutzfläche von insgesamt etwa 70 Tagwerk und war somit größer als die meisten anderen Höfe in der Umgebung. Allerdings besitzen die Böden um Hermersreuth auch eine „schlechte bis sehr schlechte“ Ertragsfähigkeit. Alle vier Teile des Halbbaus fronten mit Spanndiensten („front mit eine pferdt und radt“) in dem Umfang eines Viertelhofs, d.h. vier Bauern mussten sich für Spann- und Fahrdienste („ganz wagen sambt vier pferd“) zusammenschließen.

Das Landbuch erwähnt beim Eintrag Wülfersreuth in einem Nachtrag: „So im anno etc. des [15]65. Jung Hans Preu, der klein genant, hat dem Linhert Behem doselbst zu seim halben gutlein verkauft …“ Um diese Zeit muss auch ein Hermersdorfer Lehen an Hans und Margarethe Böheim vergeben worden sein – die Vorfahren bzw. Verwandten der mütterlichen Seite der Hermersdorfer Linie. Der Name, der mitunter auch Pehem, Behem, Beham, Behm oder Beheim geschrieben wurde, deutet auf eine Verbindung zu Böhmen hin. Eventuell waren ihre Vorfahren von dort kommend nach Westen gezogen so wie (wahrscheinlich) die Ahnen anderer bekannter Beheims, wie des Meistersingers Michael Beheim (1416-1474), der Steinmetze Beheim aus Nürnberg oder der uralten Nürnberger Patrizierfamilie Behaim von Schwarzbach aus Nürnberg mit ihrem berühmten Mitglied Martin Behaim (1459-1507).