Reichsbräuteschule

Am Samstag, dem 22.12.1934, heirateten Großtante Gretel Prechtel und Hans Strobel in Berlin-Charlottenburg. Hans Strobel war seit Januar desselben Jahres im Stabsamt des Reichsbauernführers Walter Darré angestellt und somit nun in der Lage, alleine eine junge Familie zu ernähren. Eine zusätzliche Berufstätigkeit der Ehefrau entsprach nicht dem Frauenbild der Nationalsozialisten: Die Frau war für das Gebären und die Erziehung der Kinder sowie die Versorgung des Haushaltes zuständig, während der Mann als Versorger und Beschützer der Familie gesehen wurde. Wie der Mann sein Vaterland auf dem Schlachtfeld verteidige, so sei „jedes Kind, das sie zur Welt [bringe] eine Schlacht, die sie [bestehe] für Sein oder Nichtsein ihres Volkes“ (Adolf Hitler, 1934). Hans Strobel, SS-Mann seit 1931 und ideologietreues Parteimitglied, sah die Dinge sicher ähnlich.

Hans Strobel arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Schaltzentrale der politischen Macht. Zunächst angestellt bei Reichsleiter Walter Darré, arbeitete er später unter Reichsleiter Alfred Rosenberg. Zu Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS, bestanden Verbindungen über die „Arbeitsgemeinschaft für Volkskunde“. Himmler seinerseits hielt Kontakt über die SS, womit er sich auch geschickt Einfluss im Amt Rosenberg sicherte (siehe Hans Strobels Freund Matthes Ziegler).

Verlobungs- und Heiratsbefehl

Der Grund für die erst spät im Jahr erfolgte standesamtliche Trauung könnte auf das Warten auf die ‚Verlobungs- und Heiratsgenehmigung‘ zurückzuführen sein:

SS Verlobungs- und Heiratsbefehl (1931)

Am 31. Dezember 1931 (notabene bereits ein Jahr vor der Machtergreifung) hatte der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, den ‚Verlobungs- und Heiratsbefehl‘ erlassen, das erste der sog. Grundgesetze der SS.

Die Heirat jedes SS-Mannes musste vom Reichsführer SS genehmigt werden. Die Heiratswilligen mussten einen ‚Rasse-Fragebogen‘ ausfüllen, Lichtbilder beifügen, „die den Antragsteller und die zukünftige Braut in ganzer Größe nebeneinander gestellt“ zeigten, und einen SS-Arzt aufsuchen, der sie auf Erbkrankheiten untersuchte, die „Zeugungs-, Empfängnis- und Gebärfähigkeit“ prüfte und kontrollierte, ob die „Fortpflanzung im völkischen Sinne“ wünschenswert sei.

Ziel war, dass sich in der SS im Sinne eines Zuchtprojekts der „Neuadel“ der kommenden „germanisch-nordischen Herrenrasse“ bilden solle (SS-Nachkommen sollten bevorzugt aufgenommen werden). Der auf diese Weise entstehende „Sippenverband“ würde Garant zur „Aufnordung“ des von rassischer Degeneration bedrohten deutschen Volks werden:

„[…] wir wollen für Deutschland eine auf Jahrhunderte hinaus immer wieder ausgelesene Oberschicht, einen neuen Adel, der sich immer wieder aus den besten Söhnen und Töchtern unseren Volkes ergänzt, schaffen, einen Adel, der niemals alt wird […]“

Heinrich Himmler (1937)

Als Führer des ‚Sippenordens‘ Schutzstaffel legte Himmler größten Wert auf die Auswahl der richtigen Ehefrauen. Das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) prüfte, ob die beiden Heiratskandidaten würdig seien, in das ‚Sippenbuch‘ der SS eingetragen zu werden; bei SS-Führern entschied Himmler in letzter Instanz selber. (Hans Strobel war damals zumindest bereits Führeranwärter.)

In der Praxis wurden die Genehmigungen häufig relativ lax erteilt. In den ersten Jahren wies Himmler seine Amtschefs darauf hin, der „Maßstab bezüglich der Bräute der SS-Männer kann noch kein sehr strenger sein, da wir im Unterricht über das, was wir wünschen, und das, was nicht erwünscht ist, fast noch nichts geleistet haben“ (1935). Zudem wurde auf Mitglieder der ersten Stunde Rücksicht genommen: Sofern Hans Strobel rechtzeitig eine eventuell drei Jahre vor der Heirat erfolgte Verlobung, egal ob letztlich wahr oder nicht, angezeigt hatte, hätte sich das Paar das aufwändige Prozedere sogar ersparen können, siehe untenstehende Bekanntmachung.

Es ist unklar, ob diese Regelung für die beiden in Frage kam. Bekannt sollte sie jedenfalls gewesen sein, denn Hans Strobel arbeitete in der Tiergartenstraße 2 quasi Tisch an Tisch mit den Kollegen vom RuSHA.

Anschrift des RuSHA, Abteilung für Heiratsgesuche

Trotz anfänglicher Vereinfachungen des Verfahrens klagte das RuSHA immer wieder über erhebliche Rückstände in der Bearbeitung der Anträge (im Mai 1937 stapelten sich bereits über 20.000 unerledigte Gesuche). Die Bürokratie wuchs dem Sippenamt über den Kopf:

Dies hielt Himmler aber nicht davon ab, die Kriterien für das Verfahren ständig zu erweitern.

Trotz der bis dahin über 40.000 „vorläufigen Entscheidungen“ (zeitaufwändige Prüfungen mussten bis zum Endsieg warten), forderte er im Herbst 1941 unverdrossen, man solle auf den Untersuchungsbögen auch die „Form der Beine“ aufnehmen, und zwar nach dem Schema „gerade, O-Bein, X-Bein“.
Ungeachtet dessen sei aber das Wichtigste, so Himmler, was „ich erreichen kann und will, dass möglichst jeder SS-Mann, bevor er fällt, ein Kind hat“. Werde die Anzahl der Kinder damit „insgesamt größer, so nehme ich – züchterisch gesprochen – Fehlzüchtungen, die unter der großen Menge vorkommen, eben in Kauf“.

Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Krieges klafften Anspruch und Wirklichkeit des ‚Sippenordens‘ immer weiter auseinander. Am Ende blieb Himmler selber, der immer wieder perfektionierend eingriff und als Begutachter und Eheberater den Seinigen das Leben schwermachte. Warum sich der Chef der SS und der deutschen Polizei, Reichsinnenminister und Reichskommissar neben seinen vielen anderen wichtigen Aufgaben dafür Zeit nahm, ist Spekulation. In „Heinrich Himmler“ von Peter Longerich und „Reichsführer!“ von Helmut Heiber sind mehr als 100 seiner Einlassungen dokumentiert. Einige davon sollen exemplarisch wiedergegeben werden, um zu zeigen, in welchem gesellschaftspolitischen Umfeld Gretel und Hans Strobel lebten.

So erhielt Frau Betty F. im Juli 1941 folgende Mitteilung: „Da nach dem Ergebnis der bisherigen Untersuchungen bei Ihnen z. Zt. mit Fortpflanzungsfähigkeit nicht gerechnet werden kann, hat der Reichsführer-SS vor endgültiger Entscheidung des Heiratsgesuchs eine Hormonbehandlung bei Prof. Dr. Clauberg […] angeordnet.“ Die Kosten trage die SS. Nachdem sich die Behandlung als erfolgreich erwies, gab Himmler die Heirat frei.
(Clauberg war mit seinen Forschungen zu Sexualhormonen Wegbereiter der Anti-Baby-Pille, hatte ein Verfahren zur Entfernung von Eileiterverschlüssen entwickelt, führte aber ab 1942 auch grausame Sterilisationsversuche im KZ Auschwitz durch.)

Die Eheschließung von SS-Mann F. wollte Himmler erst im Falle einer eingetretenen Schwangerschaft freigeben, da B. trotz vierjähriger Verlobungszeit seiner Braut das „Schminken und Zurechtmachen“ noch nicht abgewöhnt habe.

Auch bei Obersturmbannführer M. mischte er sich tief in seine persönlichen Verhältnisse ein:

In anderen Fällen wiederum erteilte Himmler seinen Leuten mitunter auch den Befehl zur Heirat.

Lieber Arnold!
Soviel ich weiß, sind Sie der einzige Sohn Ihrer Eltern. Meines Erachtens hätten Sie die Verpflichtung, nun endlich zu heiraten und dafür zu sorgen, daß die Sippe Arnold nicht ausstirbt.
Ich erwarte auf diesen Brief eine Antwort.
                                                       Heil Hitler
                                                       Ihr H. Himmler

Heinrich Himmler an SS-Hauptsturmführer Alfred Arnold am 21. Juni 1943

Ariernachweis

Zusätzlich zu den Untersuchungen musste für die Heiratsgenehmigung in einem Ahnennachweis urkundlich die ‚arische Reinheit‘ belegt werden, und die Braut musste zusätzlich zwei Leumundszeugnisse über ihren Charakter beifügen. Die SS verlangte ab Rang Führer bzw. Führeranwärter spätestens seit 1933 den Nachweis der rein arischen Abstammung – auch für die Braut – sogar bis 1750 zurück („Großer Ariernachweis“). Selbst eine Ausweitung bis ins Jahr 1650 war im Gespräch:

Ariernachweis zurück bis 1650 (!) bei Neuverheiratungen (1943)

Der Ahnenpaß (damalige Schreibweise) von Gretel Strobel ist daher auch die ‚Ausgabe 63‘ für bis zu 63 Personen – ausreichend für sechs Generationen. Ahnenpässe dienten ab 1934 als Ariernachweise.

Eheweihe

Auch die Hochzeit selber stand im Schatten der beiden Sig-Runen (ᛋᛋ). Kirchliche Trauungen waren verpönt, an ihre Stelle rückten zum Teil ‚Eheweihen‘, die nach der standesamtlichen Trauung im engsten Kreis der Hochzeiter vor dem örtlichen Einheitenführer abgehalten wurden. Allzu feierliche Zeremonien waren jedoch später verpönt: „Eine SS-eigene Feier, in der eine ‚Eheweihe‘ mit Frage- und Antwortspiel, Altarattrappen, Dolchübergabe, Flammenschalen und ähnlichen Nachahmungen meist christlichen Rituales durchgeführt wird, ist zu unterlassen.“ (Die Gestaltung der Feste im Jahres- und Lebenslauf in der SS-Familie, um 1940)

Heinrich Himmler bekräftigte dies in einer Abmahnung an einen Sturmbannführer:

Stattdessen wurde ein schlichteres Vorgehen propagiert, um das Ehepaar zu feiern und die Frau mit in die SS-Sippengemeinschaft aufzunehmen:

Häufig wurde gemäß altem Brauch von der SS ein Holzteller mit Salz und Brot und zwei Bechern aus Steingut überreicht. Dies versinnbildlichte zudem die einfache Lebenshaltung, die die SS-Ideologie forderte.

In welcher Form Gretel und Hans Strobel ihre Hochzeit feierten, ist nicht weiter bekannt. Eine Zusammenkunft im engsten Mitarbeiter- und Freundeskreis in oben genannter Form ist gut vorstellbar; die Verwandtschaft war höchstwahrscheinlich zu weit entfernt für eine Hochzeitsfeier in Berlin so kurz vor Weihnachten.

Reichbräuteschule

Voraussetzung für die Erteilung der Heiratserlaubnis war ab August 1935, dass die SS-Braut einen Ehevorbereitungskurs in einer Reichsbräuteschule besucht haben musste. In sechswöchigen Lehrgängen wurden hier jeweils zwanzig jungen Mädchen und Frauen das Nähen, Putzen, Kochen, die Haushaltsführung und die Säuglingspflege gelehrt, aber auch Volkstums- und Brauchtumspflege, das Führen politisch korrekter Gespräche sowie Rassen- und Vererbungslehre standen auf dem Programm. Die Perfektionierung ‚bestimmter körperlicher Fertigkeiten‘ 😉 war nicht Teil des Lehrplans – dennoch war die Einrichtung während des Dritten Reichs vermutlich häufiger Gegenstand derber Soldatenwitze. Lothar-Günther Buchheim in seinem 1973 erschienenen Roman ‚Das Boot‘:

„Die Nazizicken solln gar nich mal so schlecht sein.“
„Wie kommste da drauf?“
„Die kriegen doch auf der Reichsbräuteschule so allerhand beigebracht. Da müssense sich zum Beispiel n Stück Kreide in den Arsch stecken und auf ne Wandtafel ‚otto-otto-otto‘ schreiben. Das macht se gelenkig!“

Gespräch zwischen Schwalle und Brückenwilli in ‚Das Boot‘

Die erste Reichsbräuteschule entstand auf der Insel Schwanenwerder in Berlin-Nikolassee, keine 10 km entfernt vom Wohnort der Strobels in Babelsberg. Das Grundstück in der Inselstraße 38 lag nicht weit weg vom Anwesen der Familie Goebbels. 1940 gab es allein in Berlin bereits neun solcher Einrichtungen.

Reichsbräuteschule Schwanenwerder, links stehend die Leiterin und Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink

Im NS-Frauenkalender wurde im Jahr 1938 ein Artikel über die Reichbräuteschulen veröffentlicht, den eine Porträtaufnahme von Gretel Strobel zierte. Wahrscheinlich hatte nicht nur ihr Mann seine Kontakte spielen lassen, es ist auch durchaus möglich, dass Gretel Strobel mittlerweile den Kurs nachgeholt hatte, wie mitunter von der SS gefordert. Kostenpunkt: 135 Reichsmark (550 € in heutigen Preisen).

Die Person auf untenstehendem Foto ist unbekannt, es könnte sich jedoch um Hans Strobel handeln. Folgendes spricht dafür: 1) Es gibt Fotos vom selben Mann in Gretels Elternhaus im Graben 7 in Bayreuth (dort umarmt er sie an der Hüfte, es bestand also eine Beziehung). 2) Er trägt einen NSDAP Ansteckknopf. 3) Die Krawatte ist auf allen Fotos ähnlich charakteristisch nach links gebunden; er legte zudem Wert auf sein Äußeres, was auf Karrierebewusstsein schließen lässt. 4) Ob nachkoloriert oder echtes Farbfoto, in jedem Fall war der Abzug mit zusätzlichem Aufwand verbunden. (Der Agfacolor-Negativ-Farbfilm war bis Kriegsende eigentlich nur für Propaganda- und militärische Zwecke verfügbar.)
Dagegen spricht, dass eine Ähnlichkeit mit Hans Strobel in Uniform nur schwer zu erkennen ist – sein Gesicht in späteren Jahren, siehe den Beitrag Heimholung des Feuers, scheint schmaler zu sein. Kinn und Nasenpartie könnten aber zusammenpassen.

Foto zeigt vermutlich Hans Strobel in den 1930er Jahren

Zeugungsbefehl

Die Ehe von Gretel und Hans Strobel war bislang kinderlos geblieben. Das setzte das junge Paar unter Druck, sowohl innerlich als auch von außen. Die damalige Ideologie propagierte kinderreiche SS-Ehen, als Mindestkinderzahl einer guten und gesunden Ehe schrieb Himmler 1936 vier Kinder vor (später sogar vier Söhne). Führungspersonen in der Partei und anderen Organisationen kam dabei eine Vorbildfunktion zu. In der Tat hatte z.B. Matthes Ziegler, Hans Strobels Kollege, Freund und fast-Nachbar in Babelsberg zwischen 1934 und 1945 mit seiner Frau Lilli sechs Kinder gezeugt. Für die gesamte SS schaute die Situation jedoch äußerst mau aus: Die Kinderzahl pro verheiratetem SS-Mann betrug 1938 gerade einmal 1,1!

In- und außerhalb der SS versuchte der Staat, über verschiedene Wege die seit der allgemeinen Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln stark gesunkene Geburtenrate zu erhöhen. Die vorherrschende Geisteshaltung wurde deutlich mit der Einführung des nationalsozialistischen Ehegesetzes 1938. Das EheG regelte das Eherecht neu und strich die entsprechenden alten Abschnitte der beiden bürgerlichen Gesetzbücher BGB (Deutschland) und ABGB (Österreich). So wurde eine kinderlose Ehe allein durch diesen Tatbestand zu einer Fehlehe und konnte sofort aufgehoben werden. Der Unterschied zur Scheidung liegt darin, dass die Gründe für eine Aufhebung bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bestanden, während die Scheidungsgründe sich auf das Verhalten des Ehegatten während der Ehe beziehen. Als neuer Scheidungsgrund reichte nun die Behauptung aus, der Ehepartner sei empfängnisunwillig oder -unfähig, selbst wenn aus der Ehe bereits Kinder hervorgegangen waren und die Unfruchtbarkeit erst nach den Schwangerschaften aufgetreten war.

Dem Ganzen die Krone auf setzten aber wieder Heinrich Himmler und seine SS: Vor dem Hintergrund des gerade begonnenen Kriegs erließ er im Oktober 1939 den sogenannten Zeugungsbefehl, der quasi einen Freibrief für Ehebruch bedeutete:

„Über die Grenzen vielleicht sonst notwendiger bürgerlicher Gesetze und Gewohnheiten hinaus wird es auch außerhalb der Ehe für deutsche Frauen und Mädel guten Blutes eine hohe Aufgabe sein können, nicht aus Leichtsinn, sondern aus tiefem sittlichen Ernst Mütter der Kinder der ins Feld ziehenden Soldaten zu werden, von denen das Schicksal allein weiß, ob sie heimkehren oder für Deutschland fallen werden.“

Grund für diese Anordnung war die Sorge um eine ‚Gegenauslese‘, also die Tatsache, dass gerade die besonders ‚mutigen und wertvollen‘ Männer oft Opfer der Kampfhandlungen wurden.

Im Januar 1940 sah Himmler sich genötigt, den zugegebenermaßen recht merkwürdigen Zeugungsbefehl durch einen weiteren Erlass zu erklären. Seine Aufforderung vom Oktober, die „anständig gedacht und anständig aufgenommen, in die Zukunft vorausblickend vorhandene Probleme anspricht und offen dazu Stellung nimmt“, habe „bei manchen zu Nichtverstehen und Mißverstehen Anlaß gegeben.“ Da der Befehl auch so aufgefasst worden war, als ob die SS-Männer aufgefordert worden wären, „sich den Frauen der im Felde stehenden Soldaten zu nähern“, folgte am 30. Januar 1940 ein ausdrückliches Verbot für Angehörige von Polizei und SS, mit den Ehefrauen von Frontsoldaten Geschlechtsverkehr zu haben.

Nach Himmler sollte es bei SS-Familien, die das „Unglück“ hätten, nicht genügend eigene Kinder zeugen zu können, „selbstverständliche Sitte“ sein, „uneheliche oder Waisenkinder guten Blutes zur Erziehung anzunehmen“, und zwar „die Anzahl von Kindern, die für eine SS-Familie die Norm sein sollten“, nämlich „zwischen 4 und 6“.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich auch das Ehepaar Strobel über Alternativen Gedanken machte. Es ist überliefert, dass sich Hans Strobels Sekretärin dem Paar als (Leih-)Mutter anbot; weitere Details sind nicht bekannt.
Strobels Sekretärin mindestens in den Jahren 1943 und 1944 war Parteigenossin Frl. Gertrud Hartmann. Sie wohnte unweit von Babelsberg in Berlin Zehlendorf-West in der Beerenstraße 50b zur Untermiete bei einer fast 60-jährigen Minna Hünecke. Ihr Kürzel in der Korrespondenz von AVF (Amt für Volkskunde und Feiergestaltung) und SSVK (Sonderstab Volkskunde) im Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg war „Hn.“. Zuvor (1941) hatte eine Sekretärin mit dem Namenszeichen „Gr.“ seine Korrespondenz erledigt. Zusätzlich gab es in den Sekretariaten auch noch Stenotypistinnen.

Berlin, Beerenstraße 50

In jedem Fall hätte das gemeinsame Kind natürlich gezeugt werden müssen – künstliche Befruchtungen beim Menschen waren damals, außer in Experimenten, noch nicht möglich. Immerhin war in Deutschland seit 1932 die Knaus-Ogino-Methode bekannt, so dass die Zahl der ‚Versuche‘ möglicherweise überschaubar geblieben wäre.

Eine Leih- bzw. korrekterweise Ersatzmutterschaft nach natürlicher Zeugung war damals wie auch heutzutage sittenwidrig, da damit das Kind quasi zu einer Handelsware herabgestuft wird. Insofern wären auch alle vorab geschlossenen zivilrechtlichen Verträge zwischen den Strobels und der Ersatzmutter, zum Beispiel in Bezug auf Adoption, nichtig gewesen. Schwerwiegender wiegte aber, dass auch die Gesellschaft diese Praxis entschieden ablehnte. Die katholische Kirche urteilte, dass die Ersatzmutterschaft einen objektiven Verstoß gegenüber den Pflichten der Mutterliebe, der ehelichen Treue und der verantwortlichen Mutterschaft darstelle. Die evangelische Kirche sah Ersatzmutterschaft gar verwerflicher als Prostitution an. Dennoch zeigt selbst die Bibel, dass es Ersatzmutterschaften schon immer gab: Dort wird im ersten Buch Mose beschrieben, wie Sara, Abrahams Frau, nicht schwanger werden konnte und deswegen ihren Mann zu ihrer Magd Hagar schickte, mit den Worten „Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie einen Sohn gebäre“ (Gen, 16: 2-4). Tatsächlich wurde Hagar daraufhin von Abraham schwanger.

Lebensborn

Unverheiratete Frauen, die ein Kind erwarteten, wurden gesellschaftlich diskriminiert, häufig bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Falls in der konkreten Situation damals eine Lösung gefunden hätte werden müssen (Geheimhaltung der Schwangerschaft, sicherer Ort für die Zeit nach der Geburt), hätte sich für Hans Strobel und seine Sekretärin der 1935 von der SS gegründete Verein Lebensborn e.V. angeboten: Waren Mutter und Vater gesund und nachgewiesen ‚arisch‘, bot die Organisation eine „frühzeitige Heimunterkunft“ in einem der Lebensborn-Heime an. Wurden die Kinder zur Adoption freigegeben, übernahm der Lebensborn auch Vermittlung von Pflegeeltern und Adoptivfamilien. Hochrangige Funktionäre schoben ihre schwangeren Geliebten in diese Heime ab, ohne dass die Ehefrauen davon etwas mitbekamen. Da uneheliche Geburten als Schande galten, garantierte ein eigenes Standes- und Meldeamt, dass die Geburt geheim gehalten wurde.

Die von Zwangsbeiträgen der SS-Angehörigen finanzierten Lebensborn-Heime waren aufgrund des Stigmas der unehelichen Geburt abgelegen und streng von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Auch deshalb entstanden bald Gerüchte über „Edelbordelle“, in denen „Zuchtbullen der SS“ mit ausgesuchten deutschen Mädels Nachwuchs für den „arischen Adel“ zeugten (jeweils zeitgenössische Ausdrücke). Denn die Anwohner dieser Heime sahen dort ständig Uniformierte und schwangere Frauen ein- und ausgehen.

Das führte zu schriftlichen Anfragen wie der von Lisamaria Kräntzer im Juli 1944 an den höheren SS- und Polizeiführer Elbe: „Durch eine Bekannte erfuhr ich, daß von der SS aus sog. ‚Begattungsheime‘ eingerichtet sind. Gibt es solche tatsächlich und würden Sie mir bitte eine Adresse nennen?“

Nach dem Krieg brodelte die Gerüchteküche weiter. Die amerikanische Kriegsberichterstatterin Judy Barden schrieb in „Das ist Germany“ (1950) über eine angebliche Begegnung mit schwangeren Frauen in einem Lebensborn-Heim kurz nach Kriegsende: „Es war erschütternd was ich dort erlebte. Das einzige Ziel dieser Frauen bestand nur darin, Kinder zu gebären, weil sie den Idealtyp der deutschen Frau darstellten. Sie hatten sich ursprünglich freiwillig gemeldet, um ‚dem Führer ein Kind zu schenken‘. Nachdem sie einmal die Prüfung auf ihre Gesundheit, Schönheit und die nötigen weiblichen Rundungen bestanden hatten, wurden sie in die verschiedenen Offiziers-Erholungsheime verschickt, und dort blieben sie so lange, bis sie schwanger waren.“

Die vielen Legenden und reißerischen Fantasiegeschichten, die sich um den Lebensborn e.V. ranken, haben mit der Wahrheit jedenfalls nichts zu tun. Auch die Aussage des Direktors der Universitätsfrauenklinik Tübingen, Prof. August Mayer, der 1954 die künstliche Befruchtung mit den Lebensborn-Heimen in Zusammenhang brachte, ist widerlegt.

Als Fazit bleibt, dass weder die Bemühungen um Nachwuchs bei den Strobels erfolgreich waren, noch die Initiativen Himmlers, seine Männer zu Heirat und Kindern zu animieren: Das Ehegenehmigungsverfahren scheiterte an der praktischen Durchführbarkeit, die Zuchtvorstellungen des Reichsführers blieben im Ansatz stecken. „Der ‚Sippenorden‘ war vor allem ein Phantasiegebilde Himmlers.“ (Peter Longerich, „Heinrich Himmler: Eine Biographie.“)